symbolbild legal tech, roboter in rechtsberatung
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Business Deutschland Recht

Wenn der Roboter Rechtsberatung kann

21.03.2023
von Rüdiger Schmidt-Sodingen

Die Digitalisierung des Rechts wirft täglich neue Fragen auf – und beantwortet alte schneller. Wie lassen sich rechtliche Vorgänge oder Beratungen mit Software, also praktisch automatisch, vornehmen? Wie können Daten und Anfragen leichter verarbeitet werden und damit schneller Streitfälle lösen? Anwaltskanzleien sehen in Legal Tech Chancen, aber auch Risiken.

Schnell viele Kundinnen und Kunden zu haben, galt früher einmal als Erfolgsgarantie. Mittlerweile wissen erfolgreiche Start-ups und klassische Konzerne aber auch: Mit der Kundenwelle fangen die Probleme oftmals erst an. Denn Kundinnen und Kunden liefern Daten, wollen zunehmend kommunizieren oder kommentieren, fordern und klagen. Und so wächst die Unsicherheit, wie man mit den ganzen Kundendaten und -vorfällen rechtsicher umgehen soll. Selbst kleinste Shops wollen und können nicht mehr ohne Datenschutzklauseln oder Gewährleistungen und entsprechende AGBs verkaufen.

Das ist nur ein Ansatzpunkt für Legal Tech, die automatisierte Rechtsberatung. Aber was heißt im Anwaltsberuf schon »automatisiert«? Mandant:innen vertrauen darauf, dass sie rechtsverbindliche Hilfe erhalten, die doch persönlich, also von einem realen Menschen, geprüft und beurteilt wurde. Inwieweit können also Systeme leichtere Fragen, die parallel zu den »schwierigen Fällen« einer Kanzlei laufen, schnell beantworten?

Besonders gefragt: digitales Wissensmanagement

Legal Tech greift nicht nur in die Beratung ein, sondern auch in viele andere alltägliche Abläufe. So geht es mittlerweile um papierlose Büros, anwaltliche Zeiterfassung, eine bessere Vernetzung, reine Online-Rechtsdienstleistungen, Smart Contracts und eine automatisierte Dokumentenerstellung. Einiges davon sehen Kanzleien als Chance, anderes aber auch als Zeitfresser. Die Ergebnisse der jährlichen legal-tech.de-Umfrage des Hürther FFI-Verlages, die heuer 270 Teilnehmer:innen, von Anwält:innen und Unternehmensjurist:innen bis zu Studierenden und Referendar:innen, interviewte, sehen so aus: 37 Prozent möchten sich demnächst dem digitalen Wissensmanagement widmen, 33 Prozent der Dokumentenerstellung und 31 Prozent der E-Akte. Immerhin 15 Prozent wollen Legal Tech für die Mandatsannahme einsetzen.

Zwei Faktoren, die Legal Tech derzeit ausbremsen, sind der Arbeits- und Studienalltag. Kanzleien fehlt die Zeit, sich mit der Digitalisierung zu beschäftigen. Und im Studium spielt Legal Tech noch keine bedeutende Rolle. Natürlich sei gerade das Aktenstudium enorm zeitfressend, verkünden Anwält:innen immer wieder. Und ebenso natürlich sei es, dass man in Akten eigentlich nach Schlüsselbegriffen suche, um den Fall dann einschätzen und eine entsprechende Beratung oder Strategie auf den Weg bringen zu können. So gibt es in Miet- oder Arbeitsverträgen bestimmte Wörter, die sofort aufzeigen, ob ein Vertrag mindestens teilweise unwirksam ist. Und diese Begriffe seien natürlich mit einem Leseprogramm, das dann die gefundenen Fehler automatisch mit einer standardisierten Lösung koppelt, schnell zu finden.

Auch Abmahnungen, die von fragwürdigen Anwält:innen im Auftrag angeblich geschädigter Internetnutzer:innen an Webseitenbetreiber:innen verschickt werden, derzeit beispielsweise wegen des Einsatzes von Google Fonts, sind ein Feld, wo Legal Tech erfolgreich zum Einsatz kommt. So bieten ein paar Kanzleien auf ihrer Website kostenlose Tools an, um die eigene Website auf Abmahnmöglichkeiten zu testen. Andererseits stellen sie schnell anpassbare Antworttexte zur Verfügung, die die abmahnende Seite in die Schranken weisen, weil offensichtlich eben niemand wirklich geschädigt wurde, sondern im Gegenteil bewusst nach einer abmahnfähigen Seite gesucht hat.    

Schlägt digitale Schnelligkeit persönliches Engagement?

Legal Tech bedeutet, dass Anwältinnen und Anwälte ihr Wissen auch aus Werbegründen breiter streuen, um aus bereits abgearbeiteten Fällen Rückschlüsse auf weitere, ähnliche Fälle abzuleiten und Menschen in Rechtsschwierigkeiten schneller zu entlasten. Im Grunde setzt Legal Tech also da an, wo Anwält:innen schon seit Jahrzehnten auf bereits gesprochene Urteile verweisen. Durch digitale Tools rücken Anwält:innen aber nun näher an Mandant:innen aber auch Straftäter:innen heran. Hilfe ist schneller verfügbar, mögliche Konsequenzen können im Handumdrehen mit anwaltlicher Expertise dargelegt und fachlich untermauert werden.

Die eigentliche Herausforderung liegt darin, echtes Legal Tech von falschen Informationen freizuhalten und abzugrenzen. Wo früher jemand schrie »Ich werde Sie verklagen!« oder »Anzeige ist raus!«, geht es nun darum, nicht massenhaft Klagen via Knopfdruck anzuzetteln, sondern eben die rechtlichen Möglichkeiten einer wehrhaften Gesellschaft gewissenhaft zu erweitern und auch Menschen zu helfen, die früher nur schwer zu einer Anwältin oder einem Anwalt gefunden haben.    

In einer Zeit, in der im Minutentakt Abmahnungen oder Morddrohungen via Kommentarspalten verschickt werden, muss die Rechtsberatung einerseits schneller und klarer verfügbar sein. Andererseits muss sie aber auch umfassend für ein humanes Recht stehen, dass sich eben nicht von hektischen Emotionen oder Fake News beeindrucken lässt. Hinter jeder guten Beratung muss letztendlich doch eine nahbare Persönlichkeit mit wohlüberlegten, in Ruhe gefassten Ratschlägen stehen.

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