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Editorial Immobilien Wohnen

Eigenmietwert: Ab in die Mottenkiste!

12.11.2020
von SMA

Markus Meier, Direktor HEV Schweiz

Markus Meier, Direktor HEV Schweiz

Wohneigentum – die eigenen vier Wände. Das ist laut Befragungen der Traum von rund 75 Prozent aller Mieterinnen und Mieter in der Schweiz. Die meisten der Befragten wünschen sich das Wohnen in einem freistehenden Einfamilienhaus. Corona verstärkt diese Träume und Wünsche weiter. Artikel 108 der Bundesverfassung besagt, dass der Bund den Erwerb von Wohnungs- und Hauseigentum fördert, das dem Eigenbedarf Privater dient. In der Realität ist davon wenig bis gar nichts zu spüren. In unserem Land werden denn auch nur gerade knapp 40 Prozent der dauernd bewohnten Wohnungen von Eigentümern bewohnt. Damit liegen wir am Schwanz der europäischen Statistik.

Das Gegenteil ist der Fall

Anstelle von Wohneigentumsförderung passiert in der Praxis genau das Gegenteil. Mit der Besteuerung des sogenannten Eigenmietwerts (ein theoretischer Wert, der sich aus der wahrscheinlichen Miete errechnet, wenn das Haus gemietet wäre) bezahlen die Wohneigentümer eine «Strafsteuer» auf ein Einkommen, das sie gar nie erhalten haben. Dieser somit rein «virtuelle Ertrag» erhöht nicht nur das besteuerte Einkommen, sondern zusätzlich noch den Steuersatz, und zwar für das gesamte Einkommen. Wohneigentümer bezahlen damit mehrfach: zum einen beim Kauf des Wohneigentums, zum anderen bei dessen Nutzung – und zwar ein Leben lang. Also auch dann noch, wenn sie längst kein Einkommen mehr haben. Das ist vor allem für Pensionierte mit einer bescheidenen Altersrente problematisch.

In unserem Land werden denn auch nur gerade knapp 40 Prozent der dauernd bewohnten Wohnungen von Eigentümern bewohnt. Markus Meier

Dieses System der Besteuerung bestraft aber nicht nur das Wohneigentum. Es bildet auch Anreiz zu höherer Verschuldung und bremst die Abzahlung von Hypotheken. Denn nebst anderem können auch die Hypothekarzinsen vom Eigenmietwert abgezogen werden. Mit Hypothekarschulden von gegen 1 200 Milliarden Franken belegt die Schweiz bei der Verschuldung der privaten Haushalte in der internationalen Statistik einen Spitzenplatz. Demnächst überholen wir Deutschland – und dort leben immerhin fast zehn Mal mehr Menschen als bei uns. Diese Verschuldung ist ein grosses volkswirtschaftliches Risiko.

Mit Hypothekarschulden von gegen 1 200 Milliarden Franken belegt die Schweiz bei der Verschuldung der privaten Haushalte in der internationalen Statistik einen Spitzenplatz. Markus Meier

Im Fokus der Politik

Die Abschaffung des unsäglichen Eigenmietwerts steht schon lange in der politischen Diskussion. Jetzt wird sie auch von der Kommission Wirtschaft und Abgaben des Ständerats gefordert. Es harzt aber mit der Erstellung der definitiven Gesetzesvorlage, die dann vom Parlament beraten werden muss. Liebe National- und Ständeräte: Geben Sie Gas! Die Wohneigentümer und auch alle, die es werden wollen – also auch drei Viertel der (Noch-)Mieterinnen und Mieter – warten auf die überfällige Abschaffung des Eigenmietwerts.

Weitere Expertenstimmen aus der Immobilienwelt gibt es direkt hier.

Text Markus Meier, Direktor HEV Schweiz

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