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Nachhaltigkeit Mobilität

Der ÖV von morgen ist digital, flexibel und verbrauchsarm

16.06.2022
von SMA

Der öffentliche Verkehr spielt eine zentrale Rolle für die nachhaltige Zukunft der Schweiz. Doch es genügt nicht, einfach mehr Leute für dessen Nutzung zu sensibilisieren. Vielmehr müssen auch die Fahrzeuge, die Infrastrukturen sowie die Angebote angepasst und optimiert werden. Wo steht die Schweiz diesbezüglich? 

Die Uhr tickt: Bis 2050 will die Schweiz klimaneutral werden und ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen sowie Kernenergie minimieren. Ein wesentlicher Aspekt, der zum Gelingen dieses Ziels beiträgt, ist der Verkehr. Denn auf ihn fällt heute rund ein Drittel des gesamtschweizerischen Energieverbrauchs. Und obschon der ÖV weniger Energie verbraucht als der Privatverkehr, kann er gemäss Bundesamt für Verkehr (BAV) dennoch «einen substanziellen Beitrag zum Energiesparen und zur CO2-Reduktion leisten».

Zur Veranschaulichung: 470 000 Tonnen CO2-Emissionen verursacht die Verbrennung fossiler Treibstoffe im Schweizer ÖV Jahr für Jahr. Um hier eine Verbesserung zu erzielen, hat der Bundesrat dem BAV den Auftrag erteilt, die «Energiestrategie im öffentlichen Verkehr» (ESöV 2050) umzusetzen.

Worum geht es dabei? Die ESöv fokussiert auf den gesamten öffentlichen Verkehr in der Schweiz und umfasst sowohl den Schienenverkehr als auch den städtischen ÖV, den öffentlichen Regionalverkehr auf der Strasse sowie Schiffe und Seilbahnen. Das BAV nimmt vor allem die Transportunternehmen in die Verantwortung, die mit geeigneten Massnahmen ihre Energie- und Klimagasbilanz verbessern sollen.

Natürlich werden SBB, ZVV und andere ÖV-Betriebe dabei nicht alleine gelassen – der Bund übernimmt die Rolle des Impulsgebers und fördert sowohl die Entwicklung als auch die Umsetzung von Massnahmen und schafft gleichzeitig notwendige Rahmenbedingungen. Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen aus dem Mobilitätssektor sowie branchennahe Betriebe ihre Projektideen einreichen können und gegebenenfalls finanziell unterstützt werden. 

Veränderung in der Nutzung erwirken

Betrachten wir zuerst die harten Fakten: Seit der Lancierung im Jahr 2013 unterstützte das Programm 85 Projektgesuche mit einem Betrag von insgesamt 17,6 Millionen Franken. Vor wenigen Wochen veröffentlichte das BAV eine Übersicht zu seinen ESöv-bezogenen Tätigkeiten, die im 2021 erbracht wurden. Der Bericht schlüsselt die Projekte in Handlungsfelder wie «Fahrzeuge», «Infrastruktur», «Betrieb» oder «Angebot und Mobilitätsverhalten» auf. 

Das letztere Handlungsfeld ist besonders spannend, weil hier ÖV-Angebote so angepasst und erweitert werden, dass sie den sogenannten «Modal Split» (die kombinierte Nutzung verschiedener Verkehrsträger) fördern. Ein Projekt, das diesen Gedanken aufgreift, sieht die Nutzung emissionsfreier Kursschiffe für den Personentransport auf dem Genfersee vor. Kürzlich wurde es von einer Machbarkeitsstudie bestätigt: Demnach ist die Idee nicht nur technisch möglich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll.

Das Projekt «Sorglos mobil» von PostAuto wiederum untersucht arealbasiert, unter welchen Voraussetzungen Mobility-as-a-Service-Angebote (MaaS) eingeführt werden können. MaaS-Anbieter verkaufen Mobilität unabhängig von einem bestimmten Verkehrsmittel über einen digitalen Kanal.

Um die CO2-Emissionen des ÖVs zu senken, ist vor allem ein technischer Wandel bei den Flotten erforderlich.

Die Nutzer:innen können die gesamte Reise in einer App planen, buchen und bezahlen. Vereinfacht gesagt wird die ÖV-Nutzung in der Schweiz damit digital vernetzt: Man fährt zum Beispiel dank Car-Sharing am Morgen mit dem E-Auto an den nächstgelegenen Bahnhof, steigt dort auf den Zug um und nutzt später den Bus oder das Schiff, um dann letztlich mit einem gemieteten E-Bike an der Zieldestination anzukommen.

Auf diese Weise werden Elemente des individuellen Personenverkehrs mit ÖV-Angeboten ideal kombiniert. Spannend ist dabei die Tatsache, dass es Projekten wie «Sorglos mobil» gelingt, verschiedene, teilweise konkurrierende Akteure sowie Leistungserbringer aus unterschiedlichen Branchen an einen Tisch zu bringen. Dass auch die Automobilhersteller für solche Konzepte immer offener sind, zeigt das Profilinterview mit Mercedes-Benz Schweiz CEO Marc Langenbrinck in dieser Ausgabe.

Elektrifizierung ist der Schlüssel

Smarte digitale Tools werden künftig also vermehrt dazu führen, dass immer mehr Menschen auf der Strasse, der Schiene sowie dem Wasserweg kombiniert unterwegs sein werden. Doch um die CO2-Emissionen des ÖVs zu senken, ist vor allem ein technischer Wandel bei den Flotten erforderlich. Aus diesem Grund fokussieren die meisten ESöv-Projekte derzeit auf die Effizienzverbesserung der Fahrzeuge.

Im Schienenverkehr sind gleich vier Projekte gestartet, welche sich mit der Elektrifizierung von dieselbetriebenen Antriebs- und Kühlsystemen beschäftigen: In Projekt 241 hybridisiert die Müller Technologie AG die Baustellenlok, Projekt 221 sieht die Installation von Akkupaketen auf Güterwagen der Rhätischen Bahn vor und im Rahmen der Projekte 215 und 218 bestücken die SBB eine elektrische Rangierlok mit einer Batterie und denken ihr Lastmanagements in diesem Licht neu an.

Nebst dem Passagier-Verhalten und optimierten Fahrzeugen spielen auch die ÖV-Infrastrukturen eine wesentliche Rolle, um die Zukunft des öffentlichen Verkehrs mitzubestimmen. In diesem Handlungsfeld stellen die Verantwortlichen des ESöv eine Veränderung fest: Während bis vor wenigen Jahren einer der Schwerpunkte bei den Weichenheizungen lag, befassen sich die seit 2020 gestarteten Projekte mehrheitlich mit der Umstellung von Busflotten auf alternative Antriebsmöglichkeiten und mit den dafür notwendigen Investitionen in die Lade- und Tankinfrastruktur.

Dies deckt sich mit den Entwicklungen im individuellen Verkehr, was erneut die Tatsache unterstreicht, dass sämtliche Verkehrs-Sphären und Akteure koordiniert werden müssen, um die verkehrsbezogenen Nachhaltigkeitsziele erreichbar zu machen. 

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