Interview von Lisa Allemann

Anda Obscura: «Die Menschen sollen sich ihrer versteckten, dunklen Seite bewusst werden»

Was Kunst ist und was nicht, darüber scheiden sich die Geister. Für die junge Schweizer Künstlerin «Anda Obscura» ist Kunst ein individualistischer Ausdruck des Selbst. Mit «Fokus» spricht Sie über ihr kreatives Schaffen und woher ihre Faszination für das Düstere kommt.

Was Kunst ist und was nicht, darüber scheiden sich die Geister. Für die junge Schweizer Künstlerin «Anda Obscura» ist Kunst ein individualistischer Ausdruck des Selbst. Mit «Fokus» spricht Sie über ihr kreatives Schaffen und woher ihre Faszination für das Düstere kommt.

Selbstportrait, Anda Obscura

Selbstportrait, Anda Obscura

Anda Obscura, bereits Ihr Künstlername lässt darauf schliessen, dass Ihre Werke düster sind. Woher kommt diese Faszination?

Das Düstere hatte für mich schon immer eine magische Anziehungskraft. Als Kind hatte ich viele Albträume, die für mich damals unerklärlich waren und mich sehr erschreckten. Irgendwann hat dieser Umstand mich dazu gedrängt, den unbehaglichen Gefühlen ein Gesicht zu geben und ich begann mit dem Zeichnen. Heute lasse ich mich immer noch von meinen Träumen und Gefühlen inspirieren, versuche aber auch, mit Farbe zu spielen, um das Beklemmende in einen Kontrast zu stellen und so die Gestalt zu intensivieren. Auch im Finsteren gibt es eine gewisse Schönheit, eine Melancholie, die den Menschen berühren kann. Wo Schatten ist, ist auch Licht.

Shy Guy, Anda Obscura

Shy Guy, Anda Obscura

Was möchten Sie mit Ihrer Kunst ausdrücken? 

Meine Kunst ist hauptsächlich das Resultat meines Austausches mit meiner inneren Welt. Ich versuche, einfach zuzuhören und produziere, was aus mir herauskommt. Sicherlich ist sie in gewisser Weise auch eine Art der Verarbeitung von dem, was täglich in mir vorgeht. Aber ich hoffe, dass ich damit Leute erreiche, die sich in meinen Arbeiten wiederfinden und sich dabei selbst ihrer versteckten, dunklen Seite bewusst werden.

Kunst wird bekanntlich von jedem Menschen anders verstanden und interpretiert. Was ist Kunst für Sie?

Eine Ausdrucksform, mit der man Menschen auf einem anderen Level als durch Kommunikation erreichen kann – sozusagen eine zusätzliche Sprache. Kunst ist für mich, wenn man die Betrachtenden auf eine Reise mitnimmt, ohne dass diese nach dem Titel des Kunstwerkes fragen müssen. Durch die Kunst wird dem scheinbar Unbekannten und Unsichtbaren ein Gesicht und eine Seele gegeben.

Wie sind Sie zur Kunst, insbesondere zum Film, gekommen?

Das kreative Schaffen war schon immer ein Teil von mir. Deswegen war für mich klar, dass ich einer gestalterischen Arbeit nachgehen möchte. In meiner Ausbildung zur Polygrafin habe ich mich dann in der Arbeitswelt eingefunden. Ich hatte jedoch immer das Gefühl, dass noch etwas fehle und ich mein Wissen noch erweitern möchte.

Da mein Vater auch schon das Filmedrehen und Zeichnen praktizierte, lag mir das Thema Film natürlich nahe. Er war es auch, der mir meine erste Kamera in die Hand drückte. Vermehrt zum Vorschein kam das Thema, als ich auf diverse bizarre Kurzfilme stiess. Filme von Regisseuren wie Rosto, Robert Morgan, Cyriak und den Quay Brothers haben mich begeistert. Insbesondere die Stimmung, die man durch Animation erzeugen kann, faszinierte mich. Das hat in mir das Verlangen geweckt, so etwas selbst zu lernen. Daraufhin begann ich mein Animationsfilm-Studium in Luzern.

Witchcraft, Anda Obscura

Witchcraft, Anda Obscura

Wie schwierig ist es, in der Schweizer Kunst- und Filmszene Fuss zu fassen? 

Man muss natürlich auffallen, um gesehen zu werden. Das ist wohl die grösste Herausforderung in der heutigen Zeit. Gleichzeitig gibt es viele Anlaufstellen und Möglichkeiten, Hilfe in Kunst- und Filmförderungen zu erhalten.

Wie erreichen Sie, dass alle Ihre Werke einen individuellen Touch haben?

Indem ich mir für jede Idee überlege, was es bei der betrachtenden Person auslösen soll und wie ich das darstellen kann. Der beabsichtigte, gefühlte Ausdruck soll so authentisch wie möglich wiedergegeben werden. Momentan kann ich mich am besten in der Malerei wiederfinden, da sie es mir erlaubt, völlig frei zu gestalten. Die Ideen gelangen direkt aus meinem Kopf auf das Papier beziehungsweise auf den Bildschirm. Aber grundsätzlich gebe ich mich dem hin, was mich zu gegebener Zeit am meisten anzieht. Dabei gilt es aber zu beachten, dass es Projekte gibt, die sich besser gezeichnet darstellen. Andere eignen sich eher in Form einer Skulptur, eines Videos oder Fotos.

Wie gehen Sie mit Tagen um, an denen die Kreativität gerade eine Pause zu machen scheint?

An solchen Tagen versuche ich mich mit Musik oder mit anderen Kunstformen zu stimulieren, zu meditieren oder einen Spaziergang im Wald zu unternehmen. Das hilft manchmal. Es gibt aber auch Tage, an denen man einfach akzeptieren muss, dass nichts läuft. Wenn man anfängt, es erzwingen zu wollen, kommt oftmals nichts Gescheites dabei heraus. Eine kleine Auszeit kann einem dann wieder Raum für Neues geben.

Ein Teil Ihrer Inspiration kommt also von der Musik. Können Sie das ausführen?

Ich habe sehr oft Musik in den Ohren, vor allem, wenn ich kreiere. Früher habe ich mich abends nach der Arbeit oft mit Kopfhörern hingelegt und mich von der Musik treiben lassen. Das war gewissermassen Wellness für den Geist und eine willkommene Auszeit vom Alltag. Während dem konzentrierten Hören der Musik hat sich mein Gehirn Bilder zusammengeschustert und mich so in andere Welten katapultiert. Es stimuliert meine Sinne und führt mich so zu visuellen Bildern. 

Was sind Ihre Pläne und Hoffnungen für die Zukunft?

Die Kunst nimmt momentan einen sehr hohen Stellenwert in meinem Leben ein. Mir schweben noch viele Ideen vor, welche ich realisieren will. Das wird mich sicherlich noch eine Zeit lang beschäftigen. Mein Plan ist es, die finstersten und kuriosesten Ecken zu beleuchten, die verborgenen Schätze in mir und um mich herum aufzuspüren und diese zu visualisieren. Und ich hoffe natürlich, dass ich noch viele Menschen mit diesen Kreationen erreichen und bewegen kann.

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28.09.2021
von Lisa Allemann
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