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Ernährung Gastronomie

Darmgesundheit: «Zucker entzieht unseren Darmbewohnern Nährstoffe»

29.06.2023
von Vanessa Bulliard

Der gut sieben Meter lange menschliche Darm birgt viele Überraschungen und stellt die Forschung vor einige Rätsel. Claudia Hauswirth ist diplomierte Ernährungscoach in der Praxis Ernährungsberatung Winterthur und verrät im Interview mit «Fokus» Ernährungsvorlieben und -abneigungen des Darms, insbesondere was Zucker betrifft.

Claudia Hauswirth, Sie sind diplomierte Ernährungscoach und befassen sich unter anderem mit der Darmgesundheit. Was ist das Spannende am Darm?

Wir wissen noch lange nicht alles über unseren Darm. Er hängt mit dem gesamten Körper zusammen und ist nicht nur für die Verdauung zuständig. Natürlich ist dies die Grundidee des Organes, jedoch hat der Darm auch Einfluss auf unser Hirn und Stressstoffwechsel. Hier ist anzumerken, dass das Wort Mikrobiom den Begriff Darmflora weitestgehend abgelöst hat, da dieser sehr passend ist. «Mikro» bedeutet nämlich klein und «Biom» Ökosystem – und genau das ist der Darm.

Was ist vielen Menschen bezüglich des Darms unbekannt, auf was Sie jedoch unbedingt aufmerksam machen wollen?

Gesunde Ernährung ist das A und O. Es ist erfreulich, dass heute grundsätzlich ein besseres Ernährungsbewusstsein herrscht als vor 40 Jahren, auch bei jüngeren Generationen. Dennoch wissen viele nicht, dass wenn man sich beispielsweise nur von Salat und Gemüse ernährt, es dem Darm auch an nötiger Nahrung mangelt. Die Darmbakterien erhalten somit zu wenig «Essen» und können nicht vollumfänglich funktionieren.

Inwiefern ist ein gesunder Darm für die Gesundheit wichtig?

Enorm wichtig. Auch bei Problemen mit Gewichtszunahme oder -abnahme kann der Darm die mögliche Ursache sein. In einem solchen Fall kann er allenfalls nicht richtig resorbieren und es könnten von den falschen Mikroben zu viel und von den richtigen zu wenig vorhanden sein. Der Darm fördert dann das Über- oder Untergewicht eher als das Gegenteil.

In Verbindung zum Hirn ist der Darm beispielsweise dafür zuständig, Serotonin, also Glückshormone und Dopamin freizusetzen. Dies beeinflusst unser Verhalten und unsere Stimmungslage. Auch die Immunabwehr hängt fest mit dem Mikrobiom zusammen: Wenn die Barriere gegen schädliche Bakterien nicht oder teilweise vorhanden ist, können Toxine in den Körper eindringen und Krankheiten wie Entzündungen oder chronische Erkrankungen verursachen.

Welche Nahrung ist darmfreundlich und welche -schädlich?

Stress hat einen negativen Einfluss auf den Darm, denn wenn man sich nur von Fast-Food-Ketten ernährt oder im Stress ein Sandwich herunterschlingt, trägt das keinem gesunden Darmmilieu bei. Schlagwörter wie Prä- und Probiotika sind bei einer darmfreundlichen Ernährung wichtig: Probiotika sind lebende Organismen, welche sich im Darm ansiedeln und sich positiv auf ihn auswirken. Sie finden sich in Nahrungsergänzungsmitteln, welche damit angereichert wurden oder auch natürlicherweise in fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt, Sauerteigbrot oder eingelegtem Gemüse.

Präbiotika nehmen wir in Form von Nahrung zu uns und stellt das Nahrungsmittel der Organismen dar. Es ist vor allem in pflanzlichem Essen zu finden, weshalb eine pflanzenbasierte Nahrung von Vorteil ist. Das bedeutet nicht, auf Fleisch verzichten zu müssen, es kommt immer auf das Mass an. Präbiotische Nahrungsmittel sind beispielsweise rote Früchte, Gewürze, Kakao, Gemüse, Hülsenfrüchte und auch Chia- oder Leinsamen.

Sortiment an Produkten mit hohem Zuckergehalt

Ein Übermass an zuckerhaltigen Lebensmitteln kann der Darmgesundheit schaden. Bild: iStock/carlosgaw

Auf welche Produkte sollte man für einen gesunden Darm sonst noch verzichten?

Beim Zucker sollte man die Menge reduzieren, denn dieser ist entzündungsfördernd und isst man zu viel davon, lagert sich das Fett meistens am Bauch ab. Auch entzieht Zucker unseren Darmbewohnern Nährstoffe. Von Zuckerersatzprodukten würde ich tendenziell abraten und lieber den Zuckerkonsum minimieren. Grundsätzlich ist Fast Food schlecht für unsere Darmbakterien und lässt sie schrumpfen, anstatt sie zu vermehren. Dies führt dann auch zu Verdauungsproblemen und Blähungen.

Muss auf darmschädliche Produkte somit ganz verzichtet werden?

Dies kommt auf die individuellen Umstände an. Eine Person, welche unter ernährungsbedingten Gesundheitsproblemen leidet, braucht einen kompletten Verzicht. Nur so kann sich der Darm wieder erholen. In anderen Fällen kann man grundsätzlich sagen, dass man nicht ganz auf darmschädliche Produkte verzichten muss. Es darf auch mal ein Steak oder Glace sein. Ich rate oft, während der Arbeitswoche auf eine gesunde Ernährung zu achten und am Wochenende einen «Cheat-Day» zu machen, an dem man auch einen Zopf zum Frühstück geniessen kann.

Inwiefern spielt der Darm eine Rolle bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten?

Alle Unverträglichkeiten stehen in direktem Bezug zum Darm. Bei der Laktoseintoleranz beispielsweise fehlt das Enzym Laktase, welches den Milchzucker im Darm spaltet. Dieser gelangt dann ungespaltet in den Dickdarm und verursacht Blähungen. Da macht es Sinn, für einige Wochen auf Produkte mit Milchzucker zu verzichten, um eine effektiv vorliegende Laktoseintoleranz zu prüfen. Es ist jedoch auch möglich, dass sich im Darmmilieu die falschen Bakterien befinden und in diesem Fall jedes Nahrungsmittel den Darm reizen kann.

Vegan, vegetarisch oder Fleischesser:in, wie wirken sich diese Ernährungsweisen auf den Darm aus?

Bei einer rein pflanzlichen Ernährungsweise muss auf eine umfassende Nährstoffaufnahme geachtet werden. Hülsenfrüchte sind dabei besonders nährreich. Vor allem bei einer veganen Ernährungsweise muss man sich umfassend über die Ernährung informieren, um Mängel vorzubeugen. Besonders bekannt ist der Mangel des Vitamins B-12, welches hauptsächlich in Fleisch vorhanden ist, jedoch gut supplementiert werden kann. Auf Fleischersatzprodukte sollte man eher verzichten, denn diese enthalten häufig Stoffe, die der Körper nicht braucht.

Fleischesser:innen sollten darauf achten, eher helles Fleisch wie Poulet zu sich zu nehmen. Natürlich darf man auch hin und wieder ein Steak essen, jedoch kommt es auf das gesunde Mass an. Auch Fisch liefert wichtige Omega-Fettsäuren, welche den Darm unterstützen.

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