Interview von SMA

Jérôme Meyer: «Anfangs spürten wir eine gewisse Skepsis»

Seit fast drei Jahren ist der gebürtige Elsässer Jérôme Meyer Chef von Aldi Suisse. Als erfahrener Detailhandelsprofi kennt Meyer die Lebensmittelindustrie in- und auswendig. «Fokus» wollte von ihm wissen, wodurch sich die Schweizer Branche auszeichnet und wie sich die Marke Aldi hierzulande in den vergangenen 18 Jahren verändert hat.

Seit fast drei Jahren ist der gebürtige Elsässer Jérôme Meyer Chef von Aldi Suisse. Als erfahrener Detailhandelsprofi kennt Meyer die Lebensmittelindustrie in- und auswendig. «Fokus» wollte von ihm wissen, wodurch sich die Schweizer Branche auszeichnet und wie sich die Marke Aldi hierzulande in den vergangenen 18 Jahren verändert hat.

Jérôme Meyer

Jérôme Meyer, Aldi ist seit 2005 in der Schweiz präsent. Sie selbst übernahmen ab 2007 Verantwortung für Aldi in der Westschweiz , zuvor waren Sie für Aldi Süd in Deutschland tätig. Wie erlebten Sie damals den Markteintritt und was waren die grössten Unterschiede zwischen Aldi in Deutschland und der Schweiz?

Das Aldi-Prinzip ist auf der ganzen Welt das gleiche: beste Preis-Leistung dank eines begrenzten Sortiments und schlanken Prozessen. Darum war der Wechsel für mich persönlich einfach. Aber für die Schweiz war unser Konzept beim Markteintritt 2005 komplett neu. Die Herausforderung bestand darin, die Schweizerinnen und Schweizer davon zu überzeugen, dass Top-Qualität auch günstig sein kann.

Wie gut ist Ihnen das gelungen?

Anfangs spürten wir eine gewisse Skepsis. Das Einkaufsverhalten im Schweizer Detailhandel war geprägt vom Duopol der beiden Grossen. Der Wettbewerb war dementsprechend überschaubar. Das hat sich mittlerweile geändert. Seit einigen Jahren nimmt das Interesse an Aldi deutlich zu. Ich bin überzeugt, dass wir das Interesse weiter steigern und nachhaltig wachsen können.

Heute sind Sie seit fast drei Jahren Country Managing Director der Aldi Suisse AG. Wofür steht das Unternehmen heute?

Mit unseren Kundinnen und Kunden haben wir einen ungeschriebenen Vertrag: Wir garantieren ihnen, dass sie bei uns Top-Qualität zum besten Preis erhalten. Diese Botschaft vermitteln wir seit unserem Markteintritt. Zudem sind wir ein Schweizer Unternehmen, das sich für den Standort Schweiz und die Schweizer Hersteller einsetzt. Und schliesslich stehen wir für Fairness, sowohl gegenüber unseren Kund:innen und Lieferanten als auch gegenüber unseren Mitarbeitenden. Darum bezahlen wir den höchsten Mindestlohn im Schweizer Detailhandel.

Wie würden Sie Ihre Schweizer Kundschaft beschreiben?

Bei uns kaufen Leute ein, die mit Blick auf ihr Haushaltsbudget einfach gut rechnen können. Kurzum: Wir begrüssen in unseren Filialen tagtäglich mehr als 250 000 Menschen aus allen Gruppen der Schweizer Bevölkerung.

Worauf legen die Schweizerinnen und Schweizer wert? Und was muss man als Detailhandelsunternehmen tun, um diesen Ansprüchen zu genügen?

Sie möchten hochwertige, frische Produkte und legen grossen Wert auf eine verantwortungsvolle, möglichst regionale Produktion. Auch eine moderne Warenpräsentation ist wichtig. Darum haben wir unsere Filialen modernisiert. Wir haben sie so umgebaut, dass die Frische besser zur Geltung kommt. Nun erwartet die Kundinnen und Kunden direkt beim Eingang unsere Auswahl an Früchten und Gemüsen. Und mit unserer kürzlich lancierten Produktlinie «Saveurs Suisses» machen wir regionale Spezialitäten in der ganzen Schweiz zugänglich.

Wie hat sich während Ihrer Karriere bei Aldi Schweiz die Nachfrage und damit das Sortiment von Lebensmitteln verändert? Spüren Sie zum Beispiel mehr Nachfrage nach Fleischersatz und veganen Produkten?

Gerade die Nachfrage nach Bio-Produkten ist stark gestiegen. Während der Pandemie verzeichneten wir Zuwachsraten von 55 Prozent. Das hohe Niveau konnten wir halten. Das ist erfreulich, weil der Schweizer Bio-Markt im letzten Jahr um zwei Prozent zurückging im Vergleich zum Vorjahr. Auch Fleisch- und Milchersatz wird immer beliebter. Pflanzenbasierte Ersatzprodukte wie Bio-Tofu oder vegane Burger landen immer häufiger in den Einkaufskörben unserer Kundinnen und Kunden, auch wenn sich diese nicht strikt vegan oder vegetarisch ernähren.

Seit einigen Jahren nimmt das Interesse an Aldi deutlich zu. Ich bin überzeugt, dass wir das Interesse weiter steigern und nachhaltig wachsen können. Jérôme Meyer, Chef von Aldi Suisse

Wie wird sich Ihres Erachtens der Lebensmittelbereich in Zukunft wandeln – was werden die Menschen in zehn Jahren
im Aldi kaufen?

Bio und Regionalität bleiben zentrale Themen. Auch die Tendenz bei pflanzenbasierten Alternativen zeigt weiterhin nach oben. Generell wird sich der Trend zum bewussten, nachhaltigen und gesunden Konsum verfestigen. Die Leute werden noch genauer hinschauen bei ihrer Kaufentscheidung. Sie wollen wissen, woher ihre Lebensmittel stammen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden. Und wir werden weiterhin alles dafür tun, Produkte mit hohem Qualitätsanspruch für alle erschwinglich zu machen.

Vor einem Jahr lancierte Aldi Suisse das Biolabel «Retour aux Sources». Warum entschieden Sie sich für ein neues Label?

Bio soll kein Luxus sein. Das war schon immer unser Ansatz. Deshalb führen wir seit Markteintritt 2005 Bio-Produkte in unserem Sortiment. Gleichzeitig sehen wir in der Schweizer Bio-Landwirtschaft noch viel Potenzial, genauso wie viele Landwirtinnen und Landwirte. Gemeinsam mit ihnen haben wir beschlossen, eine Marke zu schaffen, die neue Massstäbe setzt. Unser gemeinsames Ziel ist es, die biologische Landwirtschaft in der Schweiz voranzubringen und zu stärken.

Inwiefern unterscheidet sich «Retour aux Sources» beispielsweise vom Knospe-Label von Bio Suisse?

«Retour aux Sources» geht in vielen Bereichen weiter. Nur ein Beispiel ist die antibiotikafreie Tierhaltung bei den Milch-, Eier- und Geflügelprodukten. Zudem definieren wir Transparenz neu. Über unsere Website können die Kundinnen und Kunden jedes einzelne Produkt bis zum Ursprung zurückverfolgen – also nachschauen, von welchem Hof ihr Apfel oder Hackfleisch stammt. Uns ist keine andere Bio-Marke bekannt, die eine solche Transparenz und Ehrlichkeit bietet.

Wie fällt Ihr Fazit nach dem ersten Jahr aus?

Sehr gut. Immer mehr Bio-Betriebe schliessen sich unserem Projekt an. Gestartet sind wir mit 180 Partnern, mittlerweile arbeiten wir mit 370 Betrieben zusammen. Auch die Zahl der Produkte wächst stetig. Seit Verkaufsstart ist das Sortiment um fast 40 Prozent auf 34 Produkte angewachsen. Am beliebtesten sind Freilandeier, Vollmilch und Äpfel. Noch diesen Sommer bauen wir das Sortiment im höchsten Bio-Standard weiter aus. Geplant sind Brote, weitere Früchte sowie Gemüse und neue Geflügelprodukte.

Kurze Fragen, kurze Antworten mit Jérôme Meyer

Lieber Rösti oder Spätzli?
Rösti.

Als Elsässer nicht einfach zu beantworten: lieber Fondue oder Raclette?
Ganz klar Fondue, Freiburger Moitié-moitié.

Was ist Ihr Lieblingsgericht aus der Schweiz?
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Fondue.

Ein Glas Wein oder ein Glas Bier nach/zum Essen?
Zu einem guten Essen geniesse ich gerne ein Glas Wein, am liebsten einen Walliser Cornalin.

Ihr Geheim-Tipp aus der Elsässer Küche?
Un bon baeckahoffe.

Welcher Aldi-Food-Artikel landet immer in Ihrem Einkaufswagen und warum?
Nicht fehlen dürfen «Retour aux Sources»-Produkte. Sie sind gesund, innovativ und nachhaltig.

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29.06.2023
von SMA
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