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Didier Cuche: Vom Draufgänger zum Familienvater

23.11.2018
von Miriam Dibsdale

Der zweifache Vater fährt zwar keine Skirennen mehr, doch ganz losgekommen ist er vom Skisport nicht. Worauf sich Didier Cuche diesen Winter freut und wie sich sein Leben mit den beiden Kindern verändert hat, erzählt er im Interview.

Didier Cuche, am 10. September ist Ihr zweites Kind, die kleine Amélie, zur Welt gekommen. Wann haben Sie das letzte Mal acht Stunden Schlaf am Stück gekriegt?
Das ist in der Tat schon etwas länger her. Seit die beiden Kinder auf der Welt sind, waren jeweils nur ein paar Stunden am Stück möglich. Das letzte Mal, als ich acht oder sogar mehr Stunden an einem Stück geschlafen habe, war 2009 nach meinem Weltmeistertitel. Ich war in diesem Moment 100 prozentig zufrieden mit mir und schlief in dieser Nacht wie ein Baby.

Welche Momente mit Ihrer Familie schätzen Sie am meisten?
Ich liebe es, am Morgen beim gemeinsamen Frühstück mit meiner Familie in den Tag zu starten.

Sie tragen nun die Verantwortung für eine vierköpfige Familie und nicht mehr nur für sich alleine. Wie hat sich Ihr Leben verändert?
Dass man nicht mehr nur für sich selbst, sondern eine ganze Familie verantwortlich ist, gibt dem Leben einen Sinn. Ich habe eine grosse Verantwortung übernommen. Und das nicht nur für ein paar Jahre, sondern für mindestens 18. Es dauert noch einige Zeit, bis die Kinder erwachsen sind und eigenständig ihren Weg im Leben gehen.

Was unterscheidet Sie von Ihrem 18-jährigen Ich?
Ich bin sicherlich viel ruhiger, geduldiger und weniger impulsiv geworden. Früher habe ich ewig über unmöglich zu erreichende Ziele nachgedacht. Heute setze ich mich für Dinge ein, bei denen ich wirklich etwas bewirken kann, von allem anderen lasse ich die Finger.

Es dauert noch einige Zeit, bis die Kinder erwachsen sind und eigenständig ihren Weg im Leben gehen. Didier Cuche

Sie sagten einst, Sie und Ihre Frau seien ähnlich aufgewachsen. Welche Weltansichten und Werte teilen Sie?
Wir lieben beide die Natur und Berge. Unser familiäres Umfeld ist ebenfalls sehr ähnlich und ich würde uns als bodenständig bezeichnen. Wir wuchsen in kleinen Ortschaften in den Bergen, ausserhalb von grossen Städten, auf. Manuela und ich mögen Sport gleichermassen, sei dies Ski Alpin, Langlauf, Mountainbiken, Wassersport oder gemütliches Spazieren. Es ist ein grosser Vorteil, dass wir auf der gleichen Wellenlänge sind.

Skisport ist nicht gerade ungefährlich. Hatte Ihr Umfeld nie Angst um Sie?
Natürlich hat sich meine Familie Gedanken gemacht, was passieren könnte. Doch meine Mutter war bestimmt diejenige, die am meisten Angst um mich hatte. Jedes zweite oder dritte Jahr passiert leider ein schlimmer Unfall. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass ich meine Karriere ohne grössere Schäden beenden konnte. Ich spüre zwar meinen Rücken, doch ansonsten fühlt sich mein Körper sehr gut an. Natürlich hatte auch ich mit Verletzungen zu kämpfen, doch glücklicherweise bin ich nur einmal bei einer Live-Abfahrt gestürzt. So mussten meine Mutter und meine Angehörigen abgesehen davon nie zuschauen, wie ich mich verletzte.

Welcher andere Beruf wäre für Sie noch in Frage gekommen?
Ich habe ursprünglich Metzger gelernt und hätte diesen Beruf auch sehr gerne ausgeübt. Es war aber eine äusserst anstrengende Zeit und ich musste alle meine Ferientage für das Training hergeben. Mit 20 Jahren habe ich dann meine Liebe zu Holz entdeckt. Der Geruch und die Beschaffenheit sind für mich etwas ganz Besonderes. Wäre ich nicht Skifahrer geworden, hätte ich darum wahrscheinlich eine Zweitlehre als Dachdecker oder Schreiner angehängt.

Um erfolgreich zu sein, reicht Talent alleine nicht aus. Wie wichtig ist die mentale Stärke?
Man muss eine gesunde Portion Talent mitbringen, doch Talent alleine ist im Sport, speziell im Skisport, nicht alles. Die mentale Stärke, die Willenskraft, ist extrem wichtig. Die dritte wichtige Komponente ist Fleiss. Nicht nur im Sport, sondern im ganzen Leben.

Mit 20 Jahren habe ich dann meine Liebe zu Holz entdeckt. Didier Cuche

Wovon hatten Sie selbst mehr?
Ich hatte zwar Talent, aber nicht extrem viel. Dafür besass ich einen starken Willen und viel Ehrgeiz. Mir war es immer wichtig, vollen Einsatz zu leisten. So musste ich mir bei einer Niederlage nicht den Vorwurf machen, ich hätte nicht alles gegeben.

Der deutsche Skirennläufer Felix Neureuther sagte Anfang des Jahres, dass Sie einer der «geilsten Skifahrer» überhaupt seien und spielte damit auf Ihre furchtlose Art auf und neben der Piste an. Würden Sie sich selbst als Draufgänger bezeichnen?
Erstmal ein Dankeschön an Felix für das tolle Kompliment. Felix Neureuther ist selbst ein Athlet, von dem ich sehr viel halte. Ich habe seinen Werdegang verfolgt und er ist sowohl sportlich als auch menschlich ein fairer Athlet. Mir gefällt, dass er seine Meinung sagt und dabei immer überlegt ist. Ich selbst war auf den Skisport bezogen sicherlich ein Draufgänger. Wenn ich die Möglichkeit sah, etwas zu holen, habe ich es gemacht.

Gleichzeitig bemängelte Neureuther, dass sich heute viele Athleten nicht mehr trauen, den Mund aufzumachen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Es kann schon sein, dass viele immer weniger Mut haben. Doch man muss zuerst Erfolg haben, um überhaupt gehört und wahrgenommen zu werden. Ob man dabei glaubwürdig wirkt oder nicht, ist eine andere Frage.

Gibt es ein junges Sporttalent, in welchem Sie sich selbst wiedererkennen?
Ich erkenne mich in Justin Murisier wieder. Er ist jung und frech wie ich damals. Leider hat er nun schon zum dritten Mal in wenigen Jahren sein Knie verletzt. Auch ich hatte zwei Beinbrüche in nur zwei Jahren, habe es aber glücklicherweise geschafft, wieder aufzustehen. Ich hoffe, dass auch er die nötige Kraft aufbringt, um weiterzumachen.

Der Winter steht vor der Tür. Hat diese Jahreszeit seit Ihrem Rücktritt eine andere Bedeutung für Sie?
Der Winter hat für mich zwar nicht mehr gleich viel Bedeutung wie während meiner Karriere, doch er löst noch immer dieselbe Vorfreude aus. Wenn ich die tanzenden Schneeflocken sehe, freue ich mich wie ein Kind. Nur nassen Schnee mag ich nicht.

Sie nutzen die freie Zeit nun aber nicht, um täglich Ihre Medaillen zu polieren, sondern haben einen gut gefüllten Terminkalender. Worauf freuen Sie sich diesen Winter am meisten?
Es wäre schön, wenn ich die Zeit dafür nutzen könnte, doch dann wäre mir wohl schnell langweilig. Ich freue mich auf viel Schnee und aufregende Events mit meinen Partnern. Der Winter bleibt für mich intensiv und damit die Hochsaison des Jahres. Ein Highlight wird sicherlich die Reise nach Kanada Anfang April. Gemeinsam mit interessierten Gästen werde ich für eine Woche Heliskiing in die abgelegene Bobbie Burns Lodge reisen. Daneben stehen diesen Winter viele weitere Höhepunkte vor dem TV oder am Ort des Geschehens an. Nicht zu vergessen sind natürlich auch die Wintertage mit meiner Familie. Sei dies auf der Skipiste, Langlaufloipe oder einfach im Schnee.

Was war die längste Zeit, in der Sie nicht auf Skiern standen?
Das war sicherlich diesen Sommer. Ich war nur einen Tag in Zermatt mit meinem Neffen Rémi auf der Piste. Er fährt jetzt seine dritte Saison FIS Rennen.

Der Winter hat für mich zwar nicht mehr gleich viel Bedeutung wie während meiner Karriere, doch er löst noch immer dieselbe Vorfreude aus.

Didier Cuche

Ihr Sohn ist bald dreijährig. Stand er schon einmal auf Skiern? Falls ja, teilt er Papa’s Leidenschaft?
Ja, er teilt meine Leidenschaft für das «Element» Schnee. Er friert nicht schnell und es ist schön mit anzusehen, wie er sich über den Schnee freut. Noé stand letztes Jahr zum ersten Mal auf Skiern. Ich bin sehr gespannt, ob er das bisher Gelernte noch anwenden kann. Dabei unterstütze ich ihn gerne, doch fördere ihn nicht speziell.

An welchem Ort spüren Sie den Zauber des Winters am intensivsten?
Mir gefällt der Winter im Norden am besten. Insbesondere in Norwegen fuhr ich sehr gerne Rennen. Die Ruhe im Norden ist extrem schön. Sogar die Strassen sind tiefverschneit und vereist und nicht wie hier bei uns freigeräumt. Dadurch ist die gesamte Landschaft in einen weissen Mantel gehüllt.

Klipp und klar mit Didier Cuche.

Tiefschnee oder präparierte Pisten?
Früher mochte ich die Pisten präpariert, jetzt freue ich mich riesig über Tiefschnee.

Einschlaflied oder Gutenachtgeschichte?
Erst die Gutenachtgeschichte, dann das Lied.

Lauberhorn oder Hahnenkamm?
Das Lauberhorn bleibt eine «Hassliebe». Ich fuhr sehr gerne dort, doch es wollte nie klappen mit dem Sieg. Der Hahnenkamm ist Liebe pur.

See oder Meer?
Eine schwierige Entscheidung. Wir wohnen in der Nähe von drei wunderschönen Seen (Neuenburger, Murten und Bieler), doch ich freue mich auch immer über die Wärme und den Sand am Meer.

Lieber «ewiger Zweiter» oder einmal im Leben Erster?
Lieber ewiger Zweiter als nichts, aber umso schöner wäre mehrmaliger Sieger.

Skihosen oder Jeans?
Ohne Jeans könnte ich gut leben,
ohne Skihosen auf keinen Fall.

Interview Miriam Dibsdale
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