Interview von Kevin Meier

Norah Jones: «Die perfekte Weihnacht wird besungen, aber kaum erlebt»

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Seit der Veröffentlichung ihres ersten Albums «Come Away With Me» 2002, wird Norah Jones für ihre zarte Stimme geschätzt. Ihre Musik ermöglicht es, in eine liebliche, gefühlvolle und intime Welt einzutauchen. 2021 veröffentlichte die neunfache Grammy-Gewinnerin ihre erste Weihnachts-LP «I Dream of Christmas». Im Interview mit «Fokus» spricht sie über die Festtage und lässt das Jahr Revue passieren.

Norah Jones

Bild Kat Irlin

Norah Jones, diese Weihnacht ist Ihr erstes Festtagsalbum «I Dream of Christmas» das heisse Thema. Weshalb war dieses Jahr der richtige Zeitpunkt dafür?

Dieses Jahr war ich auf der Suche nach Freude und ich dachte, dies könnte eine schöne Art sein, mir selbst Freude zu bereiten (lacht). In den vergangenen Jahren habe ich viel geschrieben. Deshalb habe ich einiges an Material bereit, das ich aufnehmen könnte. Dieses Weihnachtsprojekt klang aber nach mehr Spass. Darüber hinaus haben wir während des Lockdowns mit unseren Kindern gerne Weihnachtsmusik gehört, um die Atmosphäre beizubehalten. Das hat mich dann auch auf diese Idee gebracht. Ich habe Weihnachtsmusik schon immer geliebt. Bereits mit meiner Band Puss n Boots habe ich zuvor eine Weihnachts-EP veröffentlicht und an Weihnachtsshows teilgenommen. Nun verspürte ich aber den Drang, als Solokünstlerin etwas in diese Richtung zu kreieren.
Ich habe einen inspirierenden Produzenten gefunden, Leon Michels, der dazu bereit war, diesem Projekt eine Chance zu geben. Wir wussten nicht, wie das Ganze schlussendlich aussehen würde, aber wir haben unseren Weg hineingefunden. Ich begann, Songs zu schreiben und wir hatten eine Menge Spass. Herausgekommen ist eine etwas melancholische LP, die dennoch Freude versprüht.

Wie unterscheidet sich dieses Album von den Weihnachtsprojekten mit der Band Puss n Boots?

Musikalisch gesehen dominieren in Puss n Boots Gitarrenklänge, während in «I Dream of Christmas» das Piano überwiegt. Jede Band kreiert ihren eigenen Sound. Ausserdem treffen bei einer Gruppe im Kreationsprozess verschiedene Beteiligte und deren Meinungen aufeinander und es entwickelt sich ein Eigenleben.

Wie Sie sagten, ist Ihr Weihnachtsalbum melancholisch, trägt aber auch Töne einer Sehnsucht auf zukünftige Dinge. Was war die Inspiration dahinter?

Ich denke, die Verheissung einer perfekten Weihnacht wird häufig besungen, aber kaum erlebt. Die meisten Menschen haben eine komplizierte Familiensituation und erleben deshalb auch emotional vielschichtige Festtage. Die Leute leben nicht so, wie es im Fernsehen gezeigt wird. Persönlich spüre ich jedes Jahr die Nostalgie und die Sehnsucht nach den idealen Weihnachtstagen. Damit bin ich selbst auch nicht aufgewachsen. Als ich jünger war, hatten wir schöne Festtage, aber sie waren nicht traditionell. Gleichzeitig sind einige meiner liebsten Weihnachtslieder traurig, wie zum Beispiel «I’ll Be Home For Christmas». Ich liebe diese Lieder. Meine neuesten Weihnachtssongs wurden auch von der Pandemie beeinflusst. Ich habe meinen Freundeskreis an den letzten Weihnachten sehr vermisst. Viele Leute konnten ihre Freunde und Familie nicht besuchen, weil sie nicht reisen konnten.

Ich habe als Erwachsene meine eigenen Traditionen entwickelt.

In Ihrem Freundeskreis zu feiern, wurde also zur Tradition. Gibt es Bräuche aus Ihrer Kindheit, die Sie beibehalten haben?

Nicht wirklich. Ich bin mit meiner hart arbeitenden, alleinerziehenden Mutter aufgewachsen. Normalerweise haben wir die Weihnachtstage bei Tanten, Onkeln oder meiner Grossmutter verbracht. So haben sich Familientraditionen vermischt. Manchmal gingen meine Mutter und ich an Weihnachten campen. Das machte Spass, war aber nicht sonderlich traditionell. Deshalb habe ich als Erwachsene meine eigenen Traditionen entwickelt.

Wie würden Sie Ihre idealen Festtage beschreiben?

Kalt! (lacht) Es wäre auch einmal lustig, Weihnachten an einem Strand zu verbringen. Aber ich finde die Kühle in der Luft etwas Spezielles an den Festtagen. Ich bin zwar in Texas aufgewachsen, wo es nicht richtig kalt wird. Dennoch liebe ich die Kälte und mit Schnee ist es noch besser. Mit einem Feuer ergibt sich eine kuschelige Atmosphäre.

Während der Pandemie haben Sie Livestreams mit Mini-Konzerten veranstaltet. Wie kam es dazu?

Ich kann mich daran erinnern, wie ich und mein Mann während der ersten oder zweiten Woche des Lockdowns über diese Konzerte nachgedacht haben. Eines Abends hörten wir zum Abendessen «Patience» von Guns n’ Roses, mit dem wir beide aufgewachsen sind. Wir wurden emotional, der Moment war schlicht ergreifend. Deswegen, und weil es nichts anderes zu tun gab, hatte ich das Bedürfnis, den Song zu covern. Es fühlte sich gut an und ich begann, weitere Lieder nachzuspielen. So entstanden die einzigen Momente während der Pandemie, in denen ich Musik spielte. Das waren meine 20-Minuten-Pausen jede Woche, in denen ich mich zurückzog. Ich habe ja kleine Kinder. Für mich waren die Mini-Konzerte genauso therapeutisch wie für die Zusehenden. Ich bin kein Genie darin, mit Menschen über Social Media in Kontakt zu treten. Aber Musik ist genau mein Ding und das funktioniert gut in diesem Format.

Die Menschen fanden die Kurzkonzerte gemütlich, intim und sie waren sehr dankbar dafür. Wie war es für Sie?

Für mich fühlte es sich ebenso gemütlich und intim an, obwohl ich die Kommentare nicht live mitverfolgte. Nach den Konzerten habe ich sie dann mehrmals nachgelesen und sie haben mich beinahe zum Weinen gebracht. Die Menschen, die zusahen und kommentierten, waren so süss und liebevoll. Es fühlte sich gut an; insbesondere, weil ich nicht ständig auf den sozialen Medien bin, war es angenehm, nichts Negatives zu lesen. Es ist schön, dass meine Herangehensweise so aufgenommen wurde. Ich bin nicht die, die gerne die eigenen Gedanken postet. Aber ich bin eine professionelle Musikerin. Und mit Musik möchte ich mich ausdrücken. Es war einfach toll, das auf diese Art zu tun!

Waren die Mini-Konzerte den Umständen geschuldet oder ist es ein weiterer guter Weg, um in Kontakt zu treten?

Sie waren bestimmt den Umständen geschuldet, da die Menschen zu Hause waren und nichts zu tun hatten (lacht). Trotzdem finde ich es eine gute Weise, sich zu verbinden. Ich würde es gerne öfter tun, man muss aber den richtigen Moment abpassen.

Die Atmosphäre eines Livekonzerts war mir wichtig.

In diesem Jahr haben Sie auch Ihre erste Live-LP, «Till We Meet Again», herausgebracht. Wie sind Sie bei der Auswahl der Auftritte vorgegangen?

Ich habe die besten Performances der letzten paar Jahre herausgepickt (lacht). Ich habe versucht, eine schöne, harmonische Mischung an Liedern und Events auf der Platte zu haben. Ausserdem habe ich darauf geachtet, Auftritte zu wählen, bei welchen man das Publikum hören und deren Energie spüren kann. Die Atmosphäre eines Livekonzerts war mir wichtig.

Was hat die Musik Ihrer Meinung nach der Welt zu bieten?

«I Dream of Christmas» von Norah Jones – jetzt überall erhältlich

«I Dream of Christmas» von Norah Jones – jetzt überall erhältlich

Magie! Das bedeutet so viel und kann Verschiedenes für jede Person ausdrücken. Jeder Mensch nimmt dasselbe Stück anders wahr und trotzdem ist es gleichermassen magisch.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurück und in die Zukunft blicken, steckt da eine Botschaft hinter Ihrer Musik?

Vielleicht gibt es eine Botschaft, aber ich denke nicht in diesem Rahmen darüber nach. Ich liebe das Musizieren und mache es einfach (lacht). Jedes Stück ist einzigartig. Wenn man Musik schreibt, mag die Botschaft des Liedes wichtig erscheinen. Manchmal scheint sie dagegen belanglos, wenn der Künstler oder die Künstlerin einfach dem Gefühl folgt und entdecken will, wo es hinführt. Der Prozess kann intuitiv oder harte Arbeit sein.

Zurzeit sind keine Tourdaten geplant. Können wir dennoch auf einen Besuch in Europa hoffen?

Ich würde so gerne wieder nach Europa kommen und habe sogar schon davon geträumt. Es ist schon lange her, seit ich das letzte Mal da war. Ich hoffe wirklich, dass sich bald wieder die Möglichkeit ergibt!

 

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Bild Kat Irlin

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Dieses oder jenes mit Norah Jones

Weihnachten oder Neujahrsfest?
Weihnachten. Oder Halloween.
Sommer oder Winter?
Ich hasse den Sommer, irgendwie. Nicht wirklich, ich mag aber die Kälte lieber.
The Beatles oder The Rolling Stones?
Beide – diese Frage ist nicht fair! (lacht)
Gitarre oder Piano?
Wieder beides, eine zu schwierige Wahl.
Schokolade oder Pommes frites?
Pasta (lacht).

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04.12.2021
von Kevin Meier
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