Ist Nachhaltigkeitsmarketing die Zukunft des Marketings?
«Since we are part of the problem, we are looking to be part of the solution» lautet der Slogan, den Burger King im Jahr 2020 mit der Absicht der Sensibilisierung der Öffentlichkeit in Bezug auf die Klimaveränderung und spezifischer auf das von Kühen ausgestossene Treibhausgas Methan, eingeführt hat. In den Worten widerspiegelt sich der Wille des Unternehmens, seine Zuneigung zur Respektierung der Umwelt zu manifestieren, indem ein noch nachhaltigeres Marketing adaptiert wird.
Die Zusammenhänge zwischen einem übermässigen Konsum und dem Klimawandel sind seit langem nachgewiesen: Rohstoffverbrauch, Bodenerschöpfung, der Ausstoss von Schadstoffen durch den Transport, usw. Auf den ersten Blick scheinen die Worte Marketing und Umweltschutz deshalb kaum miteinander vereinbar. Doch der Begriff «Marketing» definiert sich als «Gesamtheit aller Massnahmen, die darauf abzielen, die Bedürfnisse der Verbraucher in Bezug auf Waren und Dienstleistungen zu erkennen, vorherzusagen und wenn möglich zu stimulieren und die Produktion und Kommerzialisierung an die dadurch konkretisierten Bedürfnisse anzupassen». Nachhaltiges Marketing hat daher durchaus seinen Platz in einer Welt, die sich immer mehr einem Konsum zuwendet, der die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung stärker berücksichtigt.
Aber nicht nur die Umwelt allein
Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung taucht zum ersten Mal im Brundtland-Bericht von 1987 auf. Dieser Bericht, betitelt mit «Our Common Future», ist das Ergebnis der Arbeit der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung und der Vereinten Nationen. Die darin gegebene Definition der nachhaltigen Entwicklung lautet wie folgt: «Nachhaltige Entwicklung ist ein Entwicklungsmodus, der auf die Bedürfnisse der heutigen Generationen eingeht, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.» Er vereint drei Aspekte: soziale, wirtschaftliche und ökologische.
Nachhaltiges Marketing ist daher Marketing, das diese drei Dimensionen berücksichtigt. Der Begriff wurde erstmals 2002 vom Soziologen Gérard Mermet beleuchtet. Für ihn ist nachhaltiges Marketing «eine grossartige Chance, das geschwächte Vertrauensverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage zu erneuern.» Für Unternehmen gilt es folglich, den Respekt gegenüber ihrer Kundschaft und Mitarbeitenden zu fördern, eine mit den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung vereinbare Ethik zu übernehmen und die Umwelt durch konkrete Massnahmen zu schützen.
Die Werte im Herzen von Unternehmen
Nachhaltiges Marketing legt den Fokus nicht mehr darauf, dass möglichst viel konsumiert wird, sondern dass beim Kauf Werte wie Ehrlichkeit, Transparenz und Nähe berücksichtigt werden. So kann ein Lebensmittelgeschäft die Qualität und Rückverfolgbarkeit seiner Produkte steigern, indem es kurze Lieferwege bevorzugt. Plastikverpackungen können zugunsten von Gross- oder Kartonverpackungen reduziert und Werbung weniger aufdringlich gestaltet werden. Die Kundschaft wird nicht mehr nur als aus Individuen bestehend gesehen, an die möglichst viele Artikel verkauft werden, sondern als Personen, die Produkte in der Qualität suchen, die sie benötigen.
Nachhaltiges Marketing legt den Fokus nicht mehr darauf, dass möglichst viel konsumiert wird, sondern dass beim Kauf Werte wie Ehrlichkeit, Transparenz und Nähe berücksichtigt werden.
Auch der Ort kann Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit sein. Die Raumaufteilung eines Büros oder eines Open Space kann so gestaltet werden, dass sie zum Austausch anregt und dadurch Zusammenarbeit und Teamwork fördert: ein grosser Tisch, Sofa, gesellige Momente… Es gilt eine Umgebung zu schaffen, die näher am Individuum als Mensch und nicht nur am Profit orientiert ist und das Wohlbefinden bei der Arbeit fördert.
Abhängig von der Marke, ihren Zielen und der Botschaft, die sie vermitteln wollen, werden unterschiedliche Werte vorgetragen: Selbstakzeptanz und Naturprodukte für Kosmetikmarken, Vertrauen für Bankinstitute, ein Umfeld, das die Kreativität der Mitarbeitenden und die Forschung an innovativen Lösungen fördert für Start-ups, usw.
Die Gefahren des Greenwashings
Einer der wesentlichen Punkte jedes Marketings ist die Kommunikation. Auch beim nachhaltigen Marketing spielt sie eine wichtige Rolle, unter der Bedingung, dass Marken damit nicht übertreiben oder gar lügen. Denn um Käufer:innen anzulocken, lassen sich manche Marken zur Grünfärberei verleiten und spielen mit dem guten Gewissen ihrer Kundschaft. Diese Praxis, im Englischen «Greenwashing» genannt, ist definiert als «die irreführende Verwendung von Argumenten in Marketing- oder Kommunikationsvorgängen, die auf gute ökologische Praktiken Bezug nehmen.» Das Ziel der Unternehmen, die sie verwenden, ist es nicht, die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung zu respektieren, sondern mit dem Trend zu umweltfreundlichen Produkten mitzuziehen, um mehr verkaufen zu können.
Da die Rentabilität die treibende Kraft des Marketings bleibt, kann nachhaltiges Marketing dadurch von seinen ursprünglichen Zielen abgelenkt werden und widersprüchliche Interessen bedienen. Nachhaltiges Marketing und Profitabilität schliessen sich jedoch nicht zwingend aus. Zum Beispiel können Investitionen in den Einsatz von Verpackungen aus recyceltem Kunststoff als langfristige Investitionen betrachtet werden. Im Jahr 2011 beeindruckte die Marke Patagonia, welche Outdoorbekleidung und -ausrüstung herstellt, mit der Veröffentlichung einer Anzeige in der New York Times mit den Worten «Don’t buy this jacket» (zu deutsch «Kaufe diese Jacke nicht») gefolgt von einem Foto der gemeinten Jacke. Mit der Veröffentlichung dieser Anzeige am Black Friday wollte Patagonia ein starkes Zeichen gegen die ausufernde Konsumgesellschaft setzen. Gleichzeitig wurde durch die Präsentation der Jacke in der grössten überregionalen Zeitung des Landes die Bekanntheit der Marke gestärkt. Zwischen Werten und Rentabilität, Ethik und Kommunikation bleiben trotz der Evolution des nachhaltigen Marketings die Grenzen zum Konsum hin also durchlässig, wenn dies erforderlich ist.
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