flui anwalt beratung in einer kanzlei
Business Karriere Recht

Ruf nach «fluiden» Anwälten

20.04.2022
von SMA

Anwälte, aber auch Anwaltskanzleien müssen immer mehr zu unternehmerischen Alleskönnern werden. Dies markiert die Geburtsstunde von «flüssigen» Anwält:innen, die sich überall eindenken können. Ein fluider Anwalt muss, in einer sich ständig verändernden Welt, wichtige Entscheidungen treffen.

Nur der Wandel ist stetig: Aber welche Fähigkeiten müssen Kanzleien konkret erlernen, um inskünftig erfolgreich am Markt aufzutreten? – Das ebook «The Fluid Lawyer» spricht von flüssigen Anwält:innen mit spezialisiertem Fachwissen und tiefgreifenden Kenntnissen in ihrem Tätigkeitsbereich.

Hierzu zählen nicht nur geschäftliche Belange, sondern auch ein hohes Mass an technologischer Kompetenz, grosser Menschenkenntnis und der Fähigkeit, auf eine sich beschleunigende, unvorhersehbare und sich ständig verändernde Welt zu reagieren.

Ein sogenannt fluider Anwalt muss, wie die fluide Anwaltskanzlei, in der Lage sein, in verschiedenen Ökosystemen zu operieren, sich der Umgebung zu öffnen und einen innovativen Geist an den Tag zu legen, um von den sich ständig verbessernden neuen Technologien zu profitieren.

Neue Fähigkeiten und Fertigkeiten

Leonardo da Vinci war nicht nur einer der berühmtesten Maler der Welt, er war auch ein brillanter Wissenschaftler, ein guter Architekt, ein visionärer Ingenieur und ein hervorragender Mathematiker – der Inbegriff des Renaissancemenschen, wie Reuters schreibt.

Oder anders gesagt: Auch wenn sich künftige Jurist:innen vielleicht mit weniger glamourösen Verdiensten begnügen müssen, tun sie gut daran, da Vincis Ansatz zu übernehmen.

So müssen sie eine Vielzahl von Fertigkeiten, Fähigkeiten und Talenten entwickeln und verfeinern, um sich nahtlos zwischen verschiedenen Disziplinen zu bewegen und mit anderen Fachleuten zusammenarbeiten zu können. Und sie müssen sich auf differenzierte Wissensbestände stützen, um die Probleme der Zukunft zu lösen. Anwält:innen müssen flexibler werden.

Strategien zur Externalisierung

Letztes Jahr hat Thomson Reuters die Fluid Law Firm vorgestellt, ihre Vision einer proaktiven Kanzleistrategie, die auf die entstehende Gig Economy, die neue technologische Realität und die neue kundenzentrierte Ära in der Anwaltschaft reagiert: «Wir haben dargelegt, wie sich Kanzleien nach dem Bild ihrer Kundschaft umgestalten, die digitale Transformation annehmen und sich für die umliegenden Ökosysteme öffnen müssen.»

Neben der technischen Fähigkeiten müssen Firmenjurist:innen ihre Softskills aktualisieren und ausbauen.

Um allen Anforderungen gerecht zu werden und Vertrauen zurückzugewinnen, müssten Anwaltskanzleien Strategien zur Externalisierung entwickeln, sich in kollaborativen Ökosystemen engagieren und ihre verkrusteten Mauern durch flexible Membranen ersetzen, die Talente und Ressourcen nahtloser aufnehmen und nutzen können.

Kurz gesagt: Um sich offen auf diese Ökosysteme einzulassen, brauchen flexible Kanzleien flexible Anwält:innen.

Mehr Softskills als fluider Anwalt fragt

Das Anforderungsprofil an Firmenjurist:innen hat sich gemäss dem stellvertretenden Rektor und General Manager der ie-Universität, Herrn Carlos de la Pedraja García-Cosío, in den letzten Jahren radikal verändert.

Die Krise des traditionellen Kanzleimodells gründet nicht zuletzt in der Tatsache, dass juristisches Wissen längst nicht mehr das einzige Element der Rechtsberatung darstellt – geschäftliche und technologische Kompetenzen sind ebenso wichtig, sodass Unternehmensjurist:innen gezwungen sind, Expert:innen in mehreren Bereichen zu werden.

Neben der technischen Fähigkeiten müssen Firmenjurist:innen ihre Softskills aktualisieren und ausbauen. Dazu gehören die Zusammenarbeit, Kreativität, das Querdenken, die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen, aber auch emotionale Intelligenz und Flexibilität.

Tektonischer Wandel

Kürzlich schrieb Mark A. Cohen, ein Berater und internationaler Rechtsexperte, dass diese Situation «den Wandel in der Rechtsbranche beschleunigen wird». Die neue Weltlage beschleunigt das aktuelle Geschäftsmodell.

So hat in der «neuen Normalität» die virtuelle Welt Vorrang vor der physischen, Fernbesprechungen ersetzen den persönlichen Kontakt, und die Technologie und die Entdeckung neuer Kommunikationsmittel für alle Stakeholders stehen im Mittelpunkt. Die Rechtswissenschaft erlebt wie so viele andere Branchen aktuell einen tektonischen Wandel.

Durch die Entwicklung anwaltlicher Fähigkeiten, die das Beste aus der virtuellen und der physischen Welt vereinen, kann man sich neu erfinden. Ein Wandel der Geschäftsmodelle wird zweifellos der nächste Schritt in der Entwicklung der neuen Rechtswelt sein. Darin wird die Kundschaft zum Mittelpunkt des juristischen Universums, während die Realitäten immer komplexer und multidisziplinärer werden.

Die grosse Herausforderung für das Unternehmensrecht liegt nicht in der Veränderung der juristischen Kompetenzen, sondern im Upskilling: der Fähigkeit, völlig neue anwaltliche Fähigkeiten und Kompetenzen zu erlernen, die zur neuen Realität passen. Diese neue Realität ist liquider, unbeständiger, unsicherer, komplexer, digitaler und vor allem mehrdeutiger. 

Flexible Fachpersonen

«Anwält:innen müssen sich selbst umgestalten, um die von den Kund:innen gewünschten Ergebnisse zu erzielen», erklärt Professor Richard Susskind OBE, der weltweit meistzitierte Autor über die Zukunft der Rechtsdienstleistungen. In seinem Buch «Tomorrow’s Lawyers» empfiehlt Susskind, dass Anwält:innen aktiv die Initiative ergreifen, um ihre technischen Fähigkeiten zu erlernen und zu aktualisieren.

«Es wird in der Rechtswissenschaft genauso wichtig sein wie anderswo, dass junge aufstrebende Fachleute mit dem Potenzial und den Grenzen von Online-Diensten in ihrem Bereich vertraut sind.» Die neue Rechtswelt erfordert ein neues Profil: den «flüssigen Anwalt». Eine flexible Fachperson, die in der Lage ist, sich an veränderte Realitäten und Umgebungen anzupassen.

Dabei muss sie sowohl persönlich vor Ort als auch aus der Ferne arbeiten können und sich mit verschiedenen Rechtssystemen auskennen. Die Fachperson versteht die immensen technologischen Möglichkeiten, die ihr zur Verfügung stehen, und sie kann mit Daten und Metriken arbeiten.

Eine liquide Fachperson ist jemand, die in einer sich ständig verändernden Welt Entscheidungen treffen kann, dabei eine grosse Portion Kreativität an den Tag legt und ihr Team auf ein noch nie dagewesenes Abenteuer zu führen vermag. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Vorheriger Artikel Neues Aktienrecht ab 2023 – schon heute kann man wichtige Weichen stellen
Nächster Artikel Digitalen Verbrecher:innen auf der Spur