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Recht

Sterben, erben und der digitale Nachlass

04.11.2021
von Severin Beerli

Ob auf Instagram, Facebook oder TikTok: Heute haben die meisten Menschen ein Zweitleben auf einer Social-Media-Plattform. Das bedeutet auch, wer heutzutage stirbt, hinterlässt einen digitalen Nachlass. «Fokus» ist der Frage nachgegangen, was nach dem Tod mit dem digitalen Ich passiert.

Die Vorstellung des Todes ist selten angenehm und für nicht wenige ist die Vorstellung von einem trotz Tod weiter existierenden Instagram-Profil bizarr. Trotzdem gibt es Dinge, die für ein allfälliges Ableben am besten noch zu Lebzeiten geklärt werden sollten. Heutzutage gehört dazu auch die Frage nach Daten und Social-Media-Aktivitäten. Aber wie ist der digitale Nachlass denn eigentlich geregelt?

Rechtlich nicht eindeutig

Eine eindeutige rechtliche Regelung gibt’s hinsichtlich Daten auf Speichermedien wie Festplatten oder USB-Sticks, die lokal abgespeichert sind. Auch die Erbschaft digitaler Vermögenswerte wie Krypto-Währungen ist festgelegt und erfolgt ähnlich wie bei anderen unkörperlichen Vermögenswerten.  Der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter, kurz Edöb, äussert sich dazu wie folgt: «Digitale Daten, die auf einem lokalen Datenträger beziehungsweise Endgerät gespeichert sind, fallen zusammen mit allen anderen vererblichen Vermögenswerten in die Erbmasse.» Anders sieht es gemäss Edöb bei Benutzerkonten wie dem Facebook-, Twitter- oder Instagram-Profil aus: «Wie es mit den Daten steht, die bloss im Internet gespeichert sind, ist aus rechtlicher Sicht nicht eindeutig geregelt. Es handelt sich dabei meistens nicht um Vermögenswerte im Sinne des Erbrechts, sondern vielmehr um persönlichkeitsrechtliche Belange, welche nicht auf die Erben übergehen.»

Facebook verhängt Gedenkzustand

Social-Media-Anbieter gehen auf ihre eigene Art und Weise mit dem Tod der Nutzenden um. Bei Facebook oder Instagram werden Profile in einen Gedenkzustand versetzt, nachdem die Anbieter über den Tod einer Person informiert wurden. Dies verunmöglicht das weitere Einloggen auf besagtes Profil. Laut Facebook dient dieses Verfahren als Möglichkeit für Bekannte und Familie, sich gemeinsam an eine verstorbene Person zu erinnern. Ausserdem fungiert der Gedenkzustand als Schutz, damit sich niemand mehr bei diesem Profil anmelden kann. Ähnlich wird es bei Instagram gehandhabt. Neben Kondolenzwünschen schreibt Instagram auf ihrer Website, dass Profile von Verstorbenen im Gedenkzustand zwar weiterhin für Zielgruppen sichtbar und verfügbar bleiben, sich aber niemand mehr anmelden kann, zudem wird dem Namen ein «In Erinnerung» beigefügt.

 Unpräzise Handhabung führt zu rechtlichen Schwierigkeiten

Diese Verfahren können rechtlich zu Komplikationen führen, wie ein Fall aus Deutschland zeigt, über den die NZZ im vergangenen März berichtete.

Bei diesem handelt es sich um eine Mutter, welche durch das Facebook-Profil herausfinden wollte, ob ihre verstorbene Tochter Suizid begangen hat. Trotz korrekter Zugangsdaten konnte sie sich nicht in das Profil ihrer Tochter einloggen. Verhindert wurde dies durch den von Facebook verhängten Gedenkzustand. Sie ging vor Gericht. Erst nach acht Jahren erhielt sie Zugang in Form eines passiven Lesemodus. Facebook willigte schlussendlich ein, weil durch das Eröffnen eines Benutzerkontos ein Vertrag abgeschlossen wird. Als Erbin übernimmt sie die vertraglichen Rechte und Pflichten. Dies bedeutet, dass trotz personenbezogener Informationen, Erbende als Rechtsnachfolger Pflichten auch digital übernehmen und somit auch das Zugriffsrecht erhalten. Ausgeschlossen ist aber die aktive Nutzung des Profils.

Recht auf Auskunft

Nach Schweizer Recht endet die Persönlichkeit mit dem Tod. Dadurch ist nicht eindeutig, ob die Daten von Verstorbenen hinsichtlich des Datenschutzgesetzes unter den Persönlichkeitsschutz fallen. Was aber gilt, ist das Auskunftsrecht: «Angehörige haben die Möglichkeit, Auskunft über Daten Verstorbener zu erhalten, wenn dem keine überwiegenden Interessen Dritter entgegenstehen. Jedoch können spezialgesetzliche Regelungen wie das Arzt-, das Bank- oder das Briefgeheimnis eine Auskunft ausschliessen», so der Edöb.

Damit wir unser Recht auf informationelle Selbstbestimmung über den Tod hinaus wahrnehmen können, müssen wir in unserem Testament bestimmen, was mit unseren Daten geschehen soll.

Sich zu Lebzeiten vorbereiten

Um rechtlich aufwendige Situationen zu vermeiden, gilt es einiges zu beachten. Der Edöb informiert hier deutlich: «Damit wir unser Recht auf informationelle Selbstbestimmung über den Tod hinaus wahrnehmen können, müssen wir in unserem Testament bestimmen, was mit unseren Daten geschehen soll, beziehungsweise wer sich um welche Daten in welcher Form kümmern soll. Dabei gilt es, die strengen Formvorschriften für die letztwillige Verfügung zu beachten: Sie muss in der Regel handschriftlich abgefasst oder öffentlich beurkundet sein.»

Es wird ebenso geraten, eine Liste aller Benutzerkonten inklusive Zugangsdaten zu erstellen, sicher aufzubewahren und gegebenenfalls zu aktualisieren. Eine vertraute Person soll als digitale Willensvollstreckerin darüber informiert sein.

Empfehlungen und Tipps

Der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte bietet auf seiner Webseite auch eine Liste mit Tipps für Betroffene und Angehörige. Es wird empfohlen, sich frühzeitig um die digitale Nachlassplanung zu kümmern. Beispielsweise sollten Konten, die nicht mehr in Gebrauch sind, gelöscht werden. Internetdienste können auch darüber informieren, welche Möglichkeiten zur digitalen Nachlassplanung sie anbieten. Für Angehörige ist es wichtig, sich einen Überblick über die Onlineaktivitäten zu verschaffen. Falls keine Liste mit Benutzerkonten existiert, gewähren Anbieter Zugriff auf das E-Mail-Konto. Kostenpflichtige Abonnements sollten so schnell wie möglich gekündigt werden. In jedem Fall ist es wichtig, sich bereits zu Lebzeiten um diese Angelegenheiten zu kümmern, um auch nach dem Tod selbstbestimmt über den digitalen Nachlass zu verfügen.

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