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Business Deutschland Recht

Weniger Stress mit »Distressed M&A«?

21.03.2023
von Rüdiger Schmidt-Sodingen

Staatliche Hilfen haben viele Insolvenzen abgewendet. Trotzdem dürften einige Unternehmen oder deren Teilbereiche in den nächsten Monaten in Schwierigkeiten geraten. Die Rechtsberatung im Bereich »Distressed M&A«-Transaktionen kann Investor:innen, Verkäufer:innen und Targets frühzeitig helfen, wenn sich eine Liquiditätskrise abzeichnet.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und so sehr einige Unternehmen gerade auf staatliche Hilfen, Energiezuschüsse und die sinkende Inflationsrate setzen, so sehr ist auch klar: Irgendwann muss der Laden wieder alleine laufen. Nur: Wird er das? Was, wenn sich einige Parameter, etwa bei der Kaufzurückhaltung oder den Energiepreisen, doch anders entwickeln?

Investitionen in strauchelnde Firmen sind in den letzten Jahren zu einem wichtigen Wirtschaftsfeld geworden. Vor allem der rechtzeitige Einstieg vor einer Insolvenz. Beratungsfirmen und Kanzleien kommt dabei die entscheidende vermittelnde Rolle zu, die alle Aspekte einer Weiterführung und auch Akquisition beleuchten und klären soll. Ein ordentlicher Spagat, denn: Auf der einen Seite erwarten die Gesellschafter:innen eines Unternehmens mitsamt der Belegschaft und Gläubigern eine schnelle, bestmögliche Vermarktung ihres lahmenden Firmenteils. Auf der anderen Seite erwarten sich Finanzinvestoren und Strategen eine umfassende, rechtsichere Beratung beim Einkauf und der möglichen Restrukturierung oder Weiterverwertung. 

Von »imperfect information« zum perfekten Verkaufsvertrag

Da es auf Verkäuferseite oftmals schnell gehen müsse, könnten Transaktionen häufig nur auf Basis von »imperfect information« angestoßen werden, gaben Henning Block, Leiter des Restrukturierungsbereichs und Managing Director bei Rothschild & Co., und Dr. Martin Tasmam, Partner von Hengeler Mueller, in der Börsen-Zeitung vom Oktober letzten Jahres zu bedenken. Die Werttreiber eines Targets müssten schnell identifiziert werden. Zudem sei die Verkaufsdurchführung, im Unterschied zu normalen M&A-Prozessen, praktisch einstufig und mit erhöhten Transparenzanforderungen hinsichtlich der Kreditgeber und anderer Parteien außerhalb der Gesellschafterebene hochkomplex.

Interessanterweise beleuchten Block und Tasmam in ihrem Artikel auch, wie strategische Käufer und spezialisierte Finanzinvestor:innen unterschiedlich mit Distressed M&A umgehen – und damit auch jeweils andere Maßstäbe anlegen. Während letztere bereits Krise »könnten«, verstünden und gerne schnell zuschlügen, fremdelten strategische Käufer:innen oftmals mit dem Krisenmodus des Unternehmens und seien mitunter langsamer.

 Anwaltskanzleien warnen davor, dass Käufer:innen zu früh in Vorleistung treten, etwa im Rahmen eines Assetdeals, und der oder die Verkäufer:in dann plötzlich doch Insolvenz anmeldet.

Rechtlich komplex wird es beim Unternehmenskaufvertrag, der einerseits die Risiken aller Seiten minimieren soll, trotzdem aber Pflichten und Gewährleistungen einvernehmlich definieren muss. Anwaltskanzleien warnen davor, dass Käufer:innen zu früh in Vorleistung treten, etwa im Rahmen eines Assetdeals, und der oder die Verkäufer:in dann plötzlich doch Insolvenz anmeldet. Hier kann die Käuferseite dann oftmals nur auf Schadensersatz klagen, denn die Insolvenzverwaltung ist bei gewählter Nichterfüllung des Verkaufs genauso wie die Verkaufenden keinesfalls dazu verpflichtet, irgendwelche Vorleistungen zurückzuzahlen. 

Die Kunst der richtigen Bewertung

Umso wichtiger ist es, die Zahlen eines Targets zu überprüfen und sich für die Due Diligence Zeit zu nehmen. Neben den Zahlen und dem daraus resultierenden Verständnis, warum das Unternehmen nicht funktioniert oder in Zahlungsschwierigkeiten ist, kommt einem Sanierungskonzept, das möglichst aktuell sein sollte, um weitere Risiken einer plötzlichen Insolvenzanmeldung zu vermeiden, höchste Bedeutung zu.  

Die zunehmenden Wirtschaftshilfen haben die Lage für Unternehmen und damit auch für diejenigen, die ihnen bei einem Verkauf oder einer Restrukturierung mit Dritten helfen wollen, zwar kurz verbessert. Gleichzeitig wurden objektive Lageeinschätzungen, besonders auch für Außenstehende, schwieriger. In ihrer Studie »Distressed M&A in Europe« verweist die Kanzlei Hogan Lovells darauf, dass »die erhebliche Höhe der gewährten Beihilfen« die gesundheitliche Beurteilung eines Unternehmens derzeit schwierig mache. Die Mechanismen, die traditionell zur Bewertung dienten, seien oftmals uneffektiv geworden. 

Es gibt also individuell und damit beratungstechnisch viel zu tun. Denn wo einstmals selbstbewusste Tech-Firmen straucheln und verschämt auftretende Traditionsunternehmen wieder bessere Geschäfte machen, gerät der Investorenmarkt und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit totgeglaubter Sparten oder vermeintlich alter Geschäftsmodelle in Bewegung. Eine umfassende und individuelle Rechtsberatung kann Unternehmen helfen, sich auf Unwägbarkeiten einzustellen und Chancen rechtzeitig und umfassend zu ergreifen. Denn wenn Rechtssicherheit herrscht, lassen sich Probleme, Restrukturierungen und Eingliederungen in neue Unternehmen oder Firmengeflechte leichter angehen. Für wirklich alle Seiten und auch alle Beschäftigten. 

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