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Diversität Jugend Interview

«Gewitter im Kopf»: «Auf keinen Fall aufgeben!»

02.11.2020
von Lars Meier

Mit ihrem YouTube-Kanal «Gewitter im Kopf – Leben mit Tourette» begeistern Jan Zimmermann und Tim Lehmann zurzeit mehr als zwei Millionen Abonnenten – Tendenz steigend. Im Gespräch mit «Fokus» verraten die beiden, was für sie wahre Freundschaft ausmacht, welcher Gedanke hinter ihrer eigenen App steht und was sie sich für die Zukunft wünschen.

Jan und Tim, im Februar 2019 habt ihr euren YouTube-Kanal ins Leben gerufen; im Mai desselben Jahres hatte dieser bereits mehr als eine Million Abonnenten… 

Gisela*: Fast schon so viele Leute wie in der Schweiz!

… wie erklärt ihr euch diesen Erfolg?

Jan: Ich schätze, es ist vor allem das Interesse an den Inhalten, auf dem unser Kanal basiert – besonders eben im deutschsprachigen Raum. Zunächst hatten wir die Intention, nur ein einziges Video hochzuladen, doch wir konnten sehen, dass sich extrem viele Leute dafür interessieren und haben dann weitergemacht. So sind wir auch darauf eingegangen, was die Leute in den Kommentaren geschrieben haben und was sie sehen möchten. Genau nach diesem Prinzip führen wir unseren Kanal bis heute fort.

Zunächst hatten wir die Intention, nur ein einziges Video hochzuladen, doch wir konnten sehen, dass sich extrem viele Leute dafür interessieren und haben dann weitergemacht. Jan

Jan, du betreibst den Kanal nicht alleine, sondern mit Tim zusammen. Hättest du dir jemals vorstellen können, das Projekt «Gewitter im Kopf» im Alleingang zu bewältigen?

Jan: Nein, denn ich habe mich zuvor null mit YouTube auseinandergesetzt, auch nicht in meiner Freizeit – bis eben zum Februar 2019. Es war auch Tims Idee, den Kanal zu eröffnen, worüber ich im Nachhinein sehr froh bin. Ich würde nichts anders machen, rückblickend betrachtet. Alleine würde ich das ausserdem gar nicht gestemmt bekommen, denn Tim übernimmt beispielsweise den Schnitt bei all unseren Videos. Es wäre einfach nur die Hälfte an Kreativität, da wir uns die Videoideen gemeinsam ausdenken und organisieren. Ich besitze aufgrund meiner Epilepsie auch keinen Führerschein und so würde es für mich nicht so einfach sein, zu bestimmten Locations für die Videos zu kommen.

Was macht für euch wahre Freundschaft aus?

Gisela: Rein kommerziell!

Jan: Wenn man nicht nur in guten, sondern auch in schlechten Zeiten füreinander da ist. Man sollte auch gewisse Dinge, wie etwa sich gegenseitig zu unterstützen, als eine Selbstverständlichkeit ansehen.

Tim: Sehe ich genau so – dass man sich blind vertrauen kann und weiss, wenn der eine etwas nicht macht, dass der andere übernimmt. Wir müssen uns inzwischen auch gar nicht mehr absprechen, weil wir als Team so gut funktionieren und aufeinander abgestimmt sind.

Tim und Jan

Tim und Jan

Inzwischen habt ihr auch eine eigene App lanciert, die ein Soundboard mit Giselas Tics umfasst und über das Tourette- Syndrom aufklärt. Was war der ausschlaggebende Gedanke für dieses Projekt?

Jan: Kurz nachdem die Reportage im letzten Jahr bei Galileo ausgestrahlt wurde, kam es dazu, dass Leute diverse Apps erstellt haben, die ähnlich aufgebaut waren wie jene, die wir jetzt gelauncht haben. Jedoch hatten wir gar keine Kontrolle darüber, welche Inhalte von uns dort kursieren, da man uns nicht um eine Freigabe gebeten hat. Des Weiteren waren wir auch nicht mit allem einverstanden, was dort hochgeladen wurde.

Wir wollten dies dann aber als unser eigenes Projekt annehmen und so die Kontrolle zurückgewinnen. Zudem haben wir die App so ausgebaut, dass sie Antworten auf oft gestellte Fragen zum Tourette-
Syndrom liefert.

Jan, du musstest aufgrund deiner Erkrankung deine Ausbildung zum Physiotherapeuten abbrechen. Was würdest du Jugendlichen raten, die ebenfalls beruflich ins Straucheln geraten?

Jan: Jugendlichen, die auf Jobsuche sind, rate ich, auf keinen Fall aufzugeben! Als ich nach dem ersten Jahr meine Physiotherapieausbildung abbrechen musste, habe ich auch nicht direkt aufgegeben. Man sollte sich zudem auch für verschiedene Ausbildungsberufe öffnen, und sonst auch bereit sein, den Wohnort zu wechseln – auch wenn es nicht der präferierte Wunsch ist. Man muss ja nicht direkt auswandern, aber ich habe mich zum Beispiel auch damals nach meiner Ausbildung in anderen Bundesländern umgesehen.

Als ich nach dem ersten Jahr meine Physiotherapieausbildung abbrechen musste, habe ich auch nicht direkt aufgegeben. Jan

Tim: Genau. Bei mir war es damals beispielsweise auch so, dass ich eine Ausbildung bei der Polizei machen wollte, aber meine Augen zu schlecht waren und ich deshalb abgelehnt wurde. Dann bin ich auf den Rettungsdienst gekommen und habe mich dafür entschieden, da ich mich neuen Herausforderungen stellen wollte. Wenn es nicht so läuft wie geplant, würde ich raten, möglichst viele Praktika zu absolvieren, bis man das findet, womit man hundertprozentig zufrieden ist. Besser, man nimmt sich die Zeit, bevor man den Rest seines Lebens etwas macht, womit man unglücklich ist!

Besser, man nimmt sich die Zeit, bevor man den Rest seines Lebens etwas macht, womit man unglücklich ist! Tim

Wart ihr auch schon einmal in der Schweiz? Wenn ja, was hat euch hier besonders gut gefallen?

Jan: Ja, ich war bereits in der Schweiz – in Basel, in Zürich und in Andermatt. Am besten hat mir in der Schweiz die Alpenregion gefallen; wir sind da mit dem Wohnmobil durchgefahren. Insgesamt war ich schon zweimal dort…

Gisela: Das Coolste an der Schweiz ist der Grenzübergang nach Deutschland zurück! 

Jan (fortfahrend): Ich fand die Landschaft sehr interessant. Zürich ist auch eine sehr schöne Stadt. Ich würde auf jeden Fall gerne wieder einmal in die Schweiz kommen, da es noch viele Orte gibt, die ich noch nicht kenne; bisher war ich ja nur in der deutschsprachigen Schweiz. Genf würde ich auch gerne besuchen; auch in Bern war ich bisher noch nicht. Ich habe aber gehört, dass es beides schöne Städte sein sollen!

Tim: Ich war tatsächlich noch nie in der Schweiz, würde aber auch gerne einmal vorbeikommen – auch, weil wir natürlich viele Abonnenten aus der Schweiz oder auch aus Österreich haben.

Wisst ihr denn, wie viele Fans ihr in der Schweiz habt?

Jan: Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen, aber ich könnte dir sonst eine Prozentzahl nennen (schaut kurz auf dem Handy nach). Auf Instagram sind auf meinem Account 3,7 Prozent der Follower aus der Schweiz (dies entspricht mehr als 26 000, Anm. d. Red).

Was wünscht ihr euch allgemein für eure Zukunft?

Tim: Dass alles so bleibt, wie es ist! Es weiterhin meiner Familie und Freunden gut geht und wir beruflich uns weiterhin kreativ ausleben dürfen.

Jan: Ich wünsche mir Weiterentwicklung, sowohl privat als auch beruflich – beispielsweise mit unseren Aktivitäten auf sozialen Plattformen. Mit der aktuellen Gesamtsituation sind wir aber in der Tat sehr zufrieden.

*Das Tourette-Syndrom bezeichnen die zwei als Gisela und teilen jegliche Situationen mit ihren Followern.

Hier findest du Jan & Tim:
Youtube
Instagram

Interview Lars Gabriel Meier
Bilder Thomas Alcantara / Gewitter im Kopf 

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