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Winter

Die Grundzüge der Käsehistorie

19.01.2022
von Kevin Meier

Die Schweiz als Käsenation zu bezeichnen, wirkt schon beinahe abgedroschen. Dabei gibt es historische Gründe, weshalb Käse zu den urtypischen Schweizer Traditionen gehören. Eine unvollständige Geschichte des Käses – mit Löchern.

Der Beginn der Käseherstellung und wie sie genau zustande kam, liegt noch in der Dunkelheit der Vorgeschichte verborgen. Fakt ist, dass die Käseproduktion in grösserem Masse die Haltung domestizierter, Milch gebender Tiere voraussetzt wie beispielsweise Schafe, Kühe und Ziegen. Es wird davon ausgegangen, dass unterschiedliche Kulturen zu verschiedenen Zeiten auf die Prozesse der Milchgärung und -gerinnung stiessen. Die zwei bedeutendsten Käsearten sind Sauermilchkäse und Labkäse. Vereinfacht ausgedrückt wird Ersterer durch Milchsäurebakterien und Wärme dickgelegt, bevor die Molke abgeschieden wird. Mit diesem Herstellungsverfahren lassen sich etwaige Frischkäsesorten erzeugen. Dahingegen werden im Spektrum von Weich- bis Extrahartkäse die Milcheiweisse mit Lab, ein Enzymgemisch, das in Kälbermägen vorkommt, ausgefällt. Die eingedickte Milch oder Dickete wird geschnitten, durch Erwärmung und/oder Pressung getrocknet und gereift. 

Vorteile früh erkannt

Die Verarbeitung von Milch zu Käse ist nicht nur eine Laune der Menschen. Sie bietet diverse Vorzüge, die zuweilen auch überlebenswichtig waren. Denn Milch wird durch die Verkäsung einerseits haltbarer und andererseits transportfähig. Insbesondere in den komplexer werdenden Gesellschaftsstrukturen früher Zivilisationen konnte dadurch das Nahrungsangebot bereichert und Engpässe umgangen werden. Zudem waren die vorzeitlichen Menschen laktoseintolerant. Durch die Milchverarbeitung liess sich der Laktosegehalt senken, wodurch die Erzeugnisse verträglicher wurden. 

Der älteste Hinweis auf Käseproduktion wurde in Form eines Tongefässes mit löchrigem Boden im nordpolnischen Kujawien gefunden. Der chemische Nachweis von Milchfettenüberresten an den Scherben deutet darauf hin, dass in Europa bereits in der Jungsteinzeit vor etwa 7500 Jahren Milch verarbeitet wurde. Ab etwa 3000 Jahren vor unserer Zeitrechnung lassen sich in Mesopotamien schriftliche und bildliche Darstellungen von Milchprodukten belegen. Die frühesten überdauernden Käseklümpchen sind 3800 Jahre alt und stammen aus einem Bronzezeit-Grab in der chinesischen Region Xinjiang. Auch von den griechischen, ägyptischen, keltischen und römischen Zivilisationen ist bekannt, dass sie Milch verarbeiteten.

Die Kelten stellten vermutlich in der Schweiz bereits Sauermilchkäse.

Die Anfänge der Tradition

Käseherstellung

Auf dem heutigen Gebiet der Schweiz belegen laut dem Historischen Lexikon der Schweiz Tierknochenfunde, dass Nutztiere gehalten wurden. Die Voraussetzungen für die Käseproduktion waren also gegeben, obwohl sich noch keine Belege für die Verkäsung zu dieser Zeit finden lassen. Man muss aber davon ausgehen, dass Kelten Milch als Lebensmittel verwendeten und vermutlich Sauermilchkäse daraus herstellten. Der Herstellungsprozess durch Lab fand wahrscheinlich durch das Römische Imperium Verbreitung. So stammt das Wort «Käse» vom lateinischen «caseus» ab, das «Gegorenes, sauer Gewordenes» bezeichnete. 

Mit Zusammenbruch des Römischen Reiches verschwand auch die grossflächige Labkäserei aus dem helvetischen Gebiet. Das Wissen scheint aber nicht verloren gegangen zu sein, obwohl nicht bekannt ist, welche Arten von Käse im frühen Mittelalter hergestellt wurden. Ab dem 13. Jahrhundert ist die Verkäsung wieder durch Urkunden belegbar und ab dem 15. Jahrhundert verbreitet sich die Labkäserei erneut weitläufig. 

Von den Bergen in die Täler

Der Ursprung des Schweizer Käses, wie wir ihn heute kennen, liegt in den Alpen. Die Bevölkerung in den Bergen war noch relativ schlecht erschlossen und Getreide wurde vor allem in den Tälern angebaut. Aus diesen Gründen wurde die Milch vor Ort zu Käse verarbeitet, um sie länger lagern zu können und ohne Hunger durch den Winter zu kommen. Erst noch zur Selbstversorgung bestimmt, wurde der Schweizer Alpkäse bald zum Exportschlager. Hart- und Extrahartkäse lassen sich gut transportieren und die Lust der Stadtbevölkerung und jener des umliegenden Auslands wuchs zusammen mit dem Angebot. In der Folge wurde die Käseherstellung zu einem Hauptberuf und auch in den Tälern entstanden unzählige Käsereien, besonders ab dem 19. Jahrhundert. Obschon Alpkäse eine begehrte Delikatesse war, kam es durch die Talkäsereien, den günstigeren Milchpreisen und den Einbruch der Finanzmärkte von 1873 zu einem Preiszerfall. Trotz Käseboom konnte der Alpkäse nicht mithalten und geriet ins Hintertreffen. 

Im Zuge des Zweiten Weltkrieges erhohlte sich der Käsemarkt nur langsam.

Das 20. Jahrhundert

Gelitten hat dennoch die gesamte Käsewirtschaft und es brach eine Exportkrise aus. Eigens um den Käsemarkt im In- und Ausland zu stärken, wurde 1901 die Eidgenössische Forschungsanstalt für Milchwirtschaft errichtet. Im selben Zeitraum und zum gleichen Zweck organisierten sich die Milch- und Käseproduzierenden in Verbänden. Die freie Wirtschaft fand mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs aber ein jähes Ende. Die Käsewirtschaft wurde durch starke Reglementierungen seit 1914 durch die Genossenschaft Schweizerischer Käseexporteure (ab 1921 die Schweizerische Käseunion) gestützt. Die Genossenschaft übernahm den produzierten Käse, förderte die Qualität und setzte die Verkaufspreise fest. Während dem Zweiten Weltkrieg bestand ein Exportverbot, welches erst 1948 aufgehoben wurde. Der Käsemarkt erholte sich danach nur langsam und die Käseunion geriet zunehmend in die Kritik. Die überhöhte Bürokratie soll laut Avenir Suisse Innovation und Eigeninitiative behindert haben und sorgte für finanzielle Verluste. Die Käseunion wurde schliesslich 1999 aufgelöst. Der freiere Käsemarkt hat vor allem zur Folge, dass die Konsumierenden in den Genuss von traditionellen wie auch neuen Varietäten kommen. Die Beliebtheit blieb über die Jahrhunderte konstant und ist bis heute ein identitätsstiftendes Traditionsprodukt. 

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