Das Anlegen in Immobilien gilt in der Schweiz als sicherer Wert. Doch trifft dies auch noch im Jahr 2024 zu? Und welche Herausforderungen ergeben sich für den Immobiliensektor mittel- bis langfristig? «Fokus» wollte es genau wissen und sprach dafür mit Anastasius Tschopp, CEO der Swiss Prime Site Solutions.
Herr Anastasius Tschopp, seit 2018 stehen Sie der Swiss Prime Site Solutions (SPSS) als CEO vor. Inwiefern hat sich während dieser Zeit der Markt, in dem Sie tätig sind, verändert?
Wie in praktisch allen Lebens- und Arbeitsbereichen hat sich auch auf dem Immobilienmarkt in den letzten Jahren ein Wandel ereignet – insbesondere, wenn man die Zeit der Coronapandemie dazurechnet. Interessanterweise finden wir uns, entgegen den damaligen Annahmen vieler Marktteilnehmer, heute mit einer rekordtiefen Leerstandsquote wieder. Die Zinswende war natürlich ihrerseits ein essenzielles Thema, gerade in unserem Sektor. Und nicht nur der Markt, sondern auch wir als Unternehmen haben uns in den letzten Jahren verändert.
Welche Veränderungen waren das konkret?
Vor einigen Jahren bestand unser Team noch aus einer Handvoll Fachleute, die gesamthaft 1,4 Milliarden Franken «Assests under Management» betreuten. Heute kann SPSS auf über 80 Mitarbeitende zählen, die Assets im Wert von über acht Milliarden Franken betreuen. Was uns hierbei besonders zugutekommt, ist die Tatsache, dass wir fachlich äusserst breit aufgestellt sind. Wir verfügen nicht nur über Anlageexpert:innen, sondern haben auch Leute im Team, die aus den Bereichen Immobilien-Development, -Bauherrentreuhand und -Transaktionen stammen. Darum können wir sämtliche immobilienbezogene Dienstleistungen und Expertisen direkt aus einer Hand anbieten.
In den Medien wird mit grosser Regelmässigkeit vom Platzen einer Immobilienblase gewarnt.
Tatsächlich zeigt sich aber, dass der Schweizer Immobilienmarkt trotz der Zinswende, trotz der Pandemie und trotz der internationalen Konflikte durch Stabilität besticht. Wir gehen davon aus, dass dies auch so bleiben wird. Dementsprechend bleibt das Anlegen in Immobilien sehr attraktiv. Wenn wir den Markt für Wohn- und Gewerbebauten betrachten, zeigt sich, dass die Leerstände wie gesagt enorm tief sind und die Platzressourcen hierzulande immer knapper werden. Es ist nicht allzu schwierig, daraus zu schlussfolgern, dass der fehlende Raum zu einer steigenden Nachfrage führt – und damit die Stabilität des Immobiliensektors fundamental gegeben ist. Diese Situation wird sich nicht grundlegend verändern, auch aufgrund der bürokratischen Gegebenheiten.
Wie meinen Sie das?
Gerade einmal acht Prozent der Schweizer Grundfläche sind so eingezont, dass man darauf bauen darf. Das ist, insbesondere angesichts des zu beobachtenden Bevölkerungswachstums, sehr wenig. Aus diesem Grund müssen wir hierzulande mit zunehmender Ernsthaftigkeit über die Verdichtung sprechen. In diesem Bereich würden sich grundsätzlich spannende Lösungen ergeben. So könnte man etwa mit Holzbauten eine nachhaltige Verdichtung fördern und gleichzeitig den sozialen Wohnungsbau vorantreiben. Dafür müsste allerdings der entsprechende politische Wille stärker vorhanden sein – und diesen kann ich aktuell noch nicht wirklich erkennen.
Wie könnte denn Ihr Unternehmen konkret zu mehr Verdichtung beitragen?
Bei SPSS legen wir unseren Fokus ausschliesslich auf Immobilien. Dank unserer breiten Basis an Expertise in diesem Feld können wir zum Beispiel die Entwicklung von Liegenschaften oder das Erbringen von Bauherrentreuhand-Dienstleistungen inhouse erbringen. Dies erlaubt es uns – ein positives Risiko-Rendite-Profil vorausgesetzt – auch mal neue Wege zu beschreiten und Aspekte wie die Nachhaltigkeit stärker zu fördern. Wir scheuen auch nicht davor zurück, Immobilien ins Portfolio zu nehmen, die noch weiterentwickelt werden müssen und einen gewissen Grad an Feinschliff benötigen. Genau das verstehen wir unter «Portfoliomanagement»: Wir wollen und müssen aktiv sein und die im Portfolio enthaltenen Liegenschaften sanieren, Umnutzungen ermöglichen und auf diese Weise dem Nachhaltigkeitsgedanken sowie dem Prinzip der Verdichtung Rechnung tragen. Wie das konkret aussehen kann, zeigt das Beispiel eines von uns verwalteten Areals, das «Riverside» in Zuchwil, welches früher Teil der Industriezone war. Wir trieben die Auf- und Umzonung dieser Fläche voran und können nun mehrere 100 Wohnungen darauf realisieren. Derartige Projekte benötigen Fachwissen und Zeit: Im konkreten Fall haben wir vor zehn Jahren damit begonnen, das Potenzial des Areals zu entwi-ckeln. Um so etwas erfolgreich umzusetzen, muss man auch in der Lage sein, Entwicklungen zu antizipieren.
Apropos antizipieren: Was zeichnet eine nachhaltige Anlagestrategie aus, die Diversifikation und Wachstum in einem sich ständig verändernden Markt gewährleistet?
Wir verfügen über verschiedene Produkte – von Anlagestiftungen über einen kommerziellen Fonds (SPSS Investment Fund Commercial), einen gemischten Fonds (Akara Diversity PK) bis hin zu Mandaten, Club Deals und geschlossenen Fonds mit fixem Anlagehorizont. Unsere Fonds sind nicht kotiert und wir investieren zum Teil auch bewusst antizyklisch. Die Produkte an sich, die wir konzipieren, unterscheiden sich insofern, als dass einige zu 100 Prozent aus kommerziellen Anlagen bestehen, während andere eine Mischung aus Wohn- und Gewerbebauten umfassen. Natürlich ergibt sich durch ein rein kommerzielles Portfolio eine andere Risiko-Allokation, als wenn man auf eine Mischform setzt. Mit unseren Produkten sind wir in der ganzen Schweiz verteilt, was seinerseits zur Diversifizierung beiträgt. Gleichzeitig bieten die Immobilienprodukte einen starken Inflationsschutz.
Sie haben bereits mehrfach das Thema «Nachhaltigkeit» angeschnitten, welches in der Immobilienbranche zunehmend in den Fokus rückt. Wie integriert Swiss Prime Site Solutions nachhaltige Praktiken in seine Betriebs- und Entwicklungsstrategien?
Die ESG-Kriterien sind ein wichtiger Faktor, die wir gesamtheitlich und zentral berücksichtigen. Zum einen orientieren wir uns an den Klimazielen 2050. Diese stellen für uns eine zentrale Richtgrösse dar. Zum anderen verfolgen wir aktiv den Ansatz «Managed to green». Dieser Approach besagt zum Beispiel, dass man bei den verwalteten Objekten aktiv das sich bietende Nachhaltigkeitspotenzial identifiziert und ausschöpft. Wenn man also in einer Liegenschaft die Ölheizungen ersetzen kann, sollte man dies möglichst zum richtigen Zeitpunkt tun. Gleichzeitig darf «Nachhaltigkeit» in unserer Branche nicht nur auf den Umweltaspekt reduziert werden, denn auch der sozialen Komponente ist Rechnung zu tragen: Hier sehe ich die Chance, durch Verdichtung nicht nur einen ökologischen, sondern auch einen sozialen Mehrwert zu schaffen. Eine wichtige Voraussetzung dafür wäre etwa ein vereinfachtes Baubewilligungsverfahren sowie mehr Flexibilität bei der Nutzung, was ebenfalls den sozialen Wohnungsbau fördern würde. Ferner sind wir als Immobilienprofis gefordert, Konzepte anzudenken, die das selbstständige Leben im Alter erleichtern, was ein brennendes Generationenthema ist. Und zu guter Letzt stehen wir als SPSS in der Pflicht, mit den uns anvertrauten Pensionskassengeldern eine stabile, sichere und damit nachhaltige Rendite zu erwirtschaften.
Welche zentralen Herausforderungen sehen Sie auf die Immobilienbranche in der nahen Zukunft zukommen?
Das Bereitstellen von Platz für immer mehr Menschen sehe ich als eine zentrale Herausforderung, auch im Zusammenhang mit den heutigen Infrastrukturen. Die Infrastruktur ist verkoppelt mit dem Gebäudepark der Schweiz und umgekehrt. Wir müssen flexibler werden, was politischen Willen voraussetzt. Und hier besteht, wie schon erwähnt, noch Verbesserungspotenzial.
Die Immobilienbranche gilt als vergleichsweise innovationsarm, wenn es um die Digitalisierung geht. Inwieweit nutzt SPSS die Möglichkeiten der Digitalisierung?
Für unsere Managementaufgaben setzen wir auf Tools wie «Asset Management Cockpits», mit denen wir eine stetige Übersicht über den Zustand unserer Immobilien erhalten und Informationen zu Leerständen, auslaufenden Mietverträgen, ESG-Absenkpfad und so weiter abrufen können. Das schafft maximale Transparenz und ermöglicht uns ein effizientes Arbeiten. Auch verfügen wir über einen schnellen Zugriff auf aktuelle Benchmark-Daten, die aufgrund von Geodaten etwa Aufschluss darüber geben können, wie hoch man den Mietzins für eine Liegenschaft in einer spezifischen Region ansetzen kann.
Wie sieht Ihre Vision für Swiss Prime Site Solutions in den nächsten fünf bis zehn Jahren aus?
Das ist ein langer Zeitraum, sowohl für einen Assetmanager als auch für einen CEO (lacht). Ein Ziel besteht sicherlich darin, dass wir bei den verwalteten Assets in den zweistelligen Milliardenbereich vordringen. Dies verschafft uns die notwendige Basis, um künftig auch neue Produkte zu etablieren. Ferner ist es mir ein zentrales Anliegen, unsere Unabhängigkeit als Immobilien-Asset-Manager zu wahren. Und um einer sinnstiftenden Arbeit nachgehen zu können, muss ein Unternehmen über ein gutes «Why» verfügen. Hier haben wir Glück: Da wir Vermögensverwalter sind, besteht unser primärer Purpose darin, diese Gelder für unsere Kunden sicher anzulegen und zu mehren. Heute, morgen und übermorgen.
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