ansicht eines pharmalogistiklagers
Alloga
Supply Chain Management Interview

Pharmalogistik – anspruchsvoll, effizient und systemrelevant

23.01.2024
von Cedric Keiser

Roy Siegenthaler ist CEO der Alloga AG, einer Gesellschaft des Galenica-Netzwerkes, und kennt die Prozesse in der Supply Chain der Pharmaindustrie bestens. Im Interview mit «Fokus» erklärt er, warum die Pharmalogistik äusserst genau auf die Lagertemperatur von Medikamenten achtet und warum sie so strengen Vorschriften unterliegt.

Roy Siegenthaler,CEO Alloga AG

Roy Siegenthaler
CEO Alloga AG

Herr Siegenthaler, was umfasst das Tätigkeitsfeld der Pharmalogistik?

Kernaufgabe ist die effiziente, sichere und temperaturgeführte Lagerung und Auslieferung von pharmazeutischen Produkten, was zahlreiche spezialisierte Prozesse und Tätigkeiten umfasst. Die Lagerung und der Transport von Medikamenten müssen sicher und effizient ablaufen, damit die Medikamente schnell und einwandfrei an die Empfänger ausgeliefert werden können.

Wer sind die Akteure der Pharma Supply Chain?

Die zentralen Akteure der Pharma Supply Chain sind sowohl die Abnehmer, also Patient:innen, Heime, Spitäler, spezialisierte Kliniken, Apotheken, Arztpraxen und Homecare-Dienstleister als auch die Pharmahersteller. Dazwischen stehen die Grossisten oder Vorgrossisten als Dienstleister und Distributoren, wie Alloga einer ist. Da die Pharmahersteller kaum über Lager verfügen und fast die gesamte Logistik auslagern, dienen die Vorgrossisten als Lager für die Pharmaprodukte der Hersteller, bei denen die Bezugsberechtigten einkaufen können. Die Pharmahersteller konzentrieren sich mittlerweile so stark auf die Forschung, Entwicklung und Produktion, dass sie teilweise sogar das Bestell- und Kundenmanagement, die Fakturierung und weitere Prozesse extern abwickeln.

Handelt es sich bei der Lagerung hauptsächlich um Medikamente?

In der Pharmalogistik werden hauptsächlich Arzneimittel gelagert und distribuiert. Teilweise können auch der Transport und die Lagerung von Rohstoffen für die Herstellung pharmazeutischer Produkte, wie zum Beispiel Granulate oder Pulver in Fässern hinzukommen. Aber auch Gesundheits- und Schönheitsprodukte für den medizinischen Gebrauch in Arztpraxen und Spitälern oder für den Consumer Health Bedarf zu Hause gehören dazu. Schliesslich lagern und transportieren wir auch medizinische Geräte und Zubehör, die in den Spitälern und Arztpraxen benötigt werden.

Was unterscheidet die Pharmalogistik von anderen Logistikbereichen?

Die Pharmalogistik lagert und transportiert Medikamente in einem Temperaturbereich zwischen plus 25 Grad Celsius bis zu minus 80 Grad Celsius. Wenn pharmazeutische Produkte eine bestimmte Temperatur benötigen, darf diese während der gesamten Lieferkette weder über- noch unterschritten werden, da sonst die Wirksamkeit der Medikamente verloren gehen kann. Hinzu kommt das Notfallteam, das bei spezifischen Lieferengpässen von Medikamenten in Spitälern für Nachschub sorgt. Gelingt die Versorgung mit neuen Medikamenten nicht rechtzeitig, kann dies ernsthafte Folgen für Patient:innen haben.

Unterliegt die Pharmalogistik eigenen Regulierungen und Gesetzen?

Swissmedic ist die schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte. Nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Heilmittel dürfen in der Schweiz erhältlich sein, weshalb auch Pharmalogistik-Unternehmen entsprechende Bewilligungen benötigen. Swissmedic überprüft regelmässig die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen. Die Gesetzgebung schreibt zudem vor, dass Arzneimittel jederzeit identifizierbar und rückverfolgbar sein müssen, auch um Fälschungen zu erkennen.

Was sind die besonderen Herausforderungen in der Pharmalogistik?

In der Pharmalogistik steht immer die Qualität der Produkte im Vordergrund, weshalb diese immer dokumentiert und rückverfolgbar sein müssen, gemäss den strengen Richtlinien der Good Distribution Practice (GDP). Dies erfordert einen hohen Aufwand und eine genaue Vorgehensweise, ähnlich wie bei der Temperaturkontrolle. Zudem leidet die Pharmalogistik wie andere Logistikbereiche auch unter einem Fachkräftemangel, der die gesamte Branche unter Druck setzt. Weiter bemüht sich die Branche um Nachhaltigkeit auch in der Logistik wie zum Beispiel das Recycling von Verpackungs- und Füllmaterialien – hier werden wir zukünftig eine Kreislaufwirtschaft entwickeln müssen. Dies ist in der Pharmabranche besonders anspruchsvoll, da viele Sicherheits- und Hygienevorschriften eingehalten werden müssen.

In der Pharmalogistik steht immer die Qualität der Produkte im Vordergrund. Roy Siegenthaler

Wie hat sich die Supply Chain der Pharmaindustrie in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert?

Die Pharmalogistik wird zunehmend regulierter, was die Patientensicherheit verbessert, jedoch auch den Logistikaufwand erhöht. Vor allem während der Coronapandemie musste sich die gesamte Branche rasch umstellen, und die hocheffiziente Verteilung von Impfstoffen war beispiellos. Fortschrittliche IT macht es möglich, Prognosen zu erstellen und so den Bedarf an Medikamenten besser einzuschätzen.

Welches sind die zukünftigen Herausforderungen der Branche?

Die Supply Chain der Pharmaindustrie ist in der Schweiz sehr gut aufgestellt. Genauere Prognosen und Planungen werden jedoch immer wichtiger, um erschwerende Ereignisse – wie beispielsweise bei einer Pandemie – abfedern zu können. Hinzu kommt, dass die Pharmaindustrie zunehmend personalisierter wird: Spezialisierte Behandlungsmethoden und Präparate sind gut für die Patient:innen, bedeuten aber auch einen Mehraufwand für die Pharmalogistik.

Welche Rolle spielt KI in der Pharmalogistik?

Wie die gesamte Logistik ist auch die Pharmalogistik sehr stark datengetrieben und setzt daher regelmässig KI-Systeme ein. KI unterstützt die Routenplanung von Transporten oder Analysen für die Volumenplanung, was die Antizipation von täglichen und saisonalen Schwankungen verbessert. Generell ermöglicht KI die Optimierung im Betrieb, indem Daten extrahiert und mit KI für eine bessere Auswertung «angereichert» werden.

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