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Die Schweizer Landwirtschaft ist fortschrittlich

09.04.2022
von Andrina Brodbeck

Tierhaltung und Umweltauflagen sind in der Schweizer Landwirtschaft gesetzlich streng geregelt. Ausserdem müssen Landwirtschaftsbetriebe weitere Vorgaben einhalten, um direktzahlungsberechtigt zu sein – dadurch nimmt die Schweiz eine Vorreiterrolle ein. 

Die Schweizer Landwirtschaft unterscheidet sich zum Ausland vor allem durch ein dichtes Netz an Gesetzen wie Tierschutz-, Gewässerschutz- und vielen weiteren Umweltauflagen sowie Verordnungen. Somit ist die Schweiz fortschrittlicher und tierfreundlicher als beispielsweise Länder aus der Europäischen Union oder den USA. «Besonders gross geschrieben werden in der Schweiz das Tierwohl und der Schutz der Umwelt», erklärt Sandra Helfenstein, Kommunikationsverantwortliche des Schweizer Bauernverbands. So müssen in der Schweiz alle Landwirtschaftsbetriebe mindestens 7,5 Prozent ihrer Fläche für die Förderung der Biodiversität einsetzen.

Aktuell umfasst diese Fläche auf freiwilliger Basis 19 Prozent der Landwirtschaftsflächen. Des Weiteren seien zahlreiche Pflanzenschutzmittel, welche in anderen Ländern erlaubt sind, in der Schweiz verboten. «Bei der Tierhaltung verfügt die Schweiz über eine Vielzahl an Punkten, die einzigartig sind. So ist beispielsweise die Käfighaltung bei Legehennen in der Schweiz bereits seit mehr als 30 Jahren verboten, während diese Art der Haltung in der EU immer noch erlaubt ist», weiss Helfenstein.

Eine weltweite Besonderheit seien auch die Tierwohlprogramme «besonders tierfreundliche Stallhaltung» und «regelmässiger Auslauf im Freien», denn dadurch hätten heute alle Hühner einen Wintergarten zur Verfügung. Bereiche, in denen die Schweizer Landwirtschaft im Gegensatz zum Ausland hinterherhinkt, gibt es laut Sandra Helfenstein keine. 

Schweiz versus USA und EU

Der grösste Unterschied zwischen den USA und Europa besteht darin, dass in den EU-Staaten und der Schweiz Umwelt- und Tierschutzanforderungen eingehalten werden müssen, um direktzahlungsberechtigt zu sein. In den USA hingegen gibt es keine Bedingungen für die staatliche Unterstützung. So ist dort beispielsweise auch der Gebrauch von Antibiotika und Hormonen im Tierfutter erlaubt.

Ein weiterer Punkt, in dem sich die Schweiz von den USA unterscheidet, sind gentechnisch veränderte Organismen: Während die Produktion von gentechnisch veränderten Organismen in der Schweiz verboten ist, gibt es in den USA kein entsprechendes Gesetz. In der EU ist die Einfuhr erlaubt und in einigen Ländern ist sogar der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen möglich. 

Direktzahlungen nur mit ökologischem Leistungsnachweis

Neben den rein gesetzlichen Bestimmungen müssen Landwirtschaftsbetriebe den ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) erfüllen, um direktzahlungsberechtigt zu sein. 2016 waren es 98 Prozent, die nach den Richtlinien des ÖLN produzierten.

Vorschriften sind eine ausgeglichene Nährstoffbilanz, also dass keine Nährstoffüberschüsse in die Umwelt gelangen, einen angemessenen Anteil an Biodiversitätsförderflächen zur Förderung der Artenvielfalt, eine geregelte Fruchtförderung, um Schädlinge und Krankheiten vorzubeugen, einen geeigneten Bodenschutz, welcher die Bodenbedeckung im Winter und einen Erosionsschutz beinhaltet und die gezielte Auswahl und Anwendung der Pflanzenschutzmittel, um eine Belastung der Gewässer zu vermeiden.

«Beim Fleisch, wo der Preisunterschied relativ gross ist, läuft der Absatz von Labelprodukten wie Bio am schlechtesten»

Der ökologische Leistungsnachweis wurde 1996 eingeführt und trägt dazu bei, dass die Landwirtschaft in Bezug auf Tier- und Umweltschutz international fortschrittlich ist und damit eine Vorreiterrolle einnimmt. 

Kleine Bereitschaft, für Bio-Fleisch mehr zu bezahlen

Die Bevölkerung möchte wissen, woher die Lebensmittel stammen und unter welchen Bedingungen sie produziert wurden. Aus diesem Grund sind Schweizer Konsument:innen laut Helfenstein zum Teil bereit, für Lebensmittel einen höheren Preis zu bezahlen. Allerdings dürfe der Preisunterschied nicht zu hoch sein. «Beim Fleisch, wo der Preisunterschied relativ gross ist, läuft der Absatz von Labelprodukten wie Bio am schlechtesten», weiss Helfenstein.

Wichtig sei, dass die Konsument:innen den Mehrwert auf den ersten Blick durch eine klare Deklaration erkennen würden. Das Vertrauen der Konsument:innen in die einheimischen Lebensmittel wird auch durch die strengen Regelungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette gestärkt. Laut einer Befragung des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) geht hervor, dass eine naturnahe Produktion von Nahrungsmitteln sowie die Erhaltung der ökologischen Vielfalt und der fruchtbaren Böden für die Bevölkerung besonders wichtig sind. 

Die bekanntesten Labels für Lebensmittel, die aus der Schweiz stammen und unter noch strengeren Richtlinien produziert wurden, sind «BIO», «Naturaplan» oder «Demeter». Ausschliesslich Lebensmittel, die zum Hauptteil aus einheimischen Rohstoffen bestehen, dürfen mit einem Schweizerlabel ausgezeichnet sein. 

Schweizer Landwirtschaft in Berggebieten

Die Topografie der Schweiz ist wegen des Berggebiets einzigartig, für die Landwirtschaft aber auch herausfordernd. «Auf weiten Flächen wächst im Hügel- und Berggebiet nur Gras. Das ist ein grosser Unterschied zu anderen Ländern, deren Anteil an Ackerland viel grösser ist als in der Schweiz», so Helfenstein. «Ohne grasfressende Nutztiere wie Kühe, Schafe oder Ziegen könnten wir diese nicht für die menschliche Ernährung nutzen.»

Aktuell sind 27 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz in der Bergregion tätig, welche aufgrund der Gegebenheiten, den Produktionsschwerpunkt in der Tierhaltung haben. Die Bewirtschaftung in den Berggebieten ist wegen der natürlich erschwerten Bedingungen aufwendig und teuer. Alpprodukte sind zudem nur saisonal erhältlich und ihre Herstellung ist während des Sommers auf 100 Tage beschränkt.

Eine weitere Herausforderung ist laut Helfenstein der grosse Druck, welcher auf die Landwirtschaftsflächen besteht, da diese wegen des wachsenden Siedlungsraums kontinuierlich schrumpfen.

Text Andrina Brodbeck

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