tino krause avatars im metaverse
IT Interview

«Wir wollen die echte Welt nicht ersetzen»

16.07.2022
von SMA

Mit Facebook wurde das Prinzip des sozialen Netzwerks vor Jahren salonfähig. Heute gehören Social-Media-Plattformen aller Art zu unserem Alltag. Meta, das Unternehmen hinter Facebook, richtet seine Aufmerksamkeit derzeit fokussiert auf die virtuelle Realität (VR). Warum man im digitalen Raum die Zukunft des Zwischenmenschlichen sieht – und wie diese aussehen könnte – wollte «Fokus» genauer wissen.

Tino Krause, wie viel Zeit verbringen Sie in sozialen Netzwerken – und welches davon erhält bei Ihnen die meiste Bildschirmzeit? 

Mein allererstes soziales Netzwerk, in welches ich mich in den frühen Nuller-Jahren einloggte, hiess «Lokalisten». Und wie der Name sagt, lag der Fokus auf der lokalen Vernetzung. 2009 kam dann Facebook und ich wurde Teil dieser weltweiten Community.

Heute unterscheide ich zwischen privater und geschäftlicher Nutzung von sozialen Netzwerken: In meinem Privatleben greife ich auf Facebook, Instagram sowie WhatsApp zurück, um mich mit meiner Familie sowie meinem Freundeskreis auszutauschen.

Beruflich steht vor allem LinkedIn im Vordergrund, dort konnte ich mir im Laufe der Zeit ein gut durchmischtes Expert:innennetzwerk aufbauen, in dem und mit dem ich über diverse interessanten Themen diskutieren kann. Wie viel Bildschirmzeit dabei genau zusammenkommt, habe ich nie konkret erfasst. Es beläuft sich aber sicherlich auf zwei bis drei Stunden täglich.  

Als Regionaldirektor für Zentraleuropa bei Meta untersteht Ihnen die Geschäftsentwicklung in 34 Ländern, darunter in der DACH-Region. Mit welchen Stakeholdern und Interessengruppen haben Sie dabei zu tun? 

Drei essenzielle Anspruchsgruppen stehen bei mir im Fokus. Die erste besteht aus den Millionen von Menschen, die weltweit unsere Plattformen nutzen. Meine Aufgabe ist es unter anderem, ihnen eine Stimme zu geben. Welche Ansprüche hegen sie an uns? Und wie können wir unsere Services für sie verbessern? Solche und ähnliche Fragen haben Priorität. Die zweite Anspruchsgruppe sind die Unternehmen, für die ich zuständig bin.

Tino Krause
Regionaldirektor Zentraleuropa bei Meta

Weltweit nutzen 220 Millionen Firmen unsere Plattformen, davon handelt es sich bei 11 Millionen um werbungtreibende Betriebe. Für diese sind Facebook sowie Instagram zu wichtigen Partnern avanciert. Wir stärken in Europa zunehmend unseren Fokus auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen.  

Und die dritte Gruppe? 

Das sind unsere Mitarbeitenden, in meinem Fall die Teams in Zürich, Amsterdam, Berlin, Brüssel, Hamburg sowie Warschau. Hier bin ich bestrebt sicherzustellen, dass ihre Bedürfnisse von uns vollumfänglich abgedeckt werden und dass wir ihnen die notwendigen Voraussetzungen bieten, um zu wachsen.   

Sie kommen aus der Welt der Mediaagenturen und haben zuvor unter anderem Mediacom als CEO geleitet. Wie verlief Ihr Karriereweg in die Agenturwelt – und wie gelang Ihnen von dort der Schritt zu Meta? 

Ich studierte zwischen 1997 und 2002 Business Administration an der Uni und setzte mich dabei mit Fachgebieten wie Marketing und Statistik auseinander. Damit versuchte ich, sowohl die kreative als auch die numerisch-ausgerichtete Seite meines Gehirns zu nutzen und zu fördern (lacht). Nach dem Studium begann ich als Trainee bei Mediacom – und merkte schnell, dass ich mich dort enorm wohlfühlte.

Ich nahm mir damals vor, dereinst CEO zu werden. 15 Jahre später gelang mir genau das. Die Welt des Marketings und der Kommunikation sprach mich schon immer an und ich verfolgte die Entstehung sozialer Plattformen mit ebenso grossem Interesse wie das Aufkommen von E-Commerce. Die Technologie, die dahintersteckt sowie deren stetige Weiterentwicklung faszinierten mich von Anfang an.

Irgendwann stand ich dann vor der Entscheidung, ob ich mein berufliches Glück bei Meta finden wollte. Für meine Zusage haben damals aber nicht primär die Technologien und neuen Ansätze von Meta den Ausschlag gegeben – sondern die Menschen im Unternehmen. Die haben mich wirklich begeistert. Der Entscheid war für mich goldrichtig. Die Firma befindet sich in einer permanenten, technologischen Transformation. Das mitgestalten zu können, motiviert mich ungemein. 

Man kann nicht von Meta sprechen, ohne das Metaverse zu erwähnen. Wie erklären Sie dessen Wirkweise? 

Im Kern geht es um unsere Überzeugung, dass das Metaversum der Nachfolger des mobilen Internets sein wird. Alle 15 Jahre macht die Technologie einen gewaltigen Sprung. Das Web 3.0 mit seiner dezentralen Infrastruktur ist ein solcher. Und dieser bietet das Fundament für neue Konzepte und Ansätze. Das Metaverse ist einer davon.

Innerhalb dieser Räume lassen sich verschiedene Dinge gemeinsam mit anderen Menschen erleben, die in Realität nicht möglich sind.

Uns schwebt eine Reihe von virtuellen Räumen vor, zwischen denen man sich schnell und unkompliziert hin und her bewegen kann. Innerhalb dieser Räume lassen sich verschiedene Dinge gemeinsam mit anderen Menschen erleben, die in Realität nicht möglich sind. Dies etwa, weil man örtlich voneinander getrennt oder in der eigenen Mobilität eingeschränkt ist.

Es geht darum, Freunde und Kolleg:innen zu treffen und kooperativ zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck kann man das virtuelle Wohnzimmer mit einer einzigen Geste in ein Büro verändern.  

Für viele Menschen hat das immer noch einen starken Science-Fiction-Charakter. 

Doch essenzielle Elemente dieses Ansatzes existieren bereits und werden genutzt – darunter etwa die erweiterte Realität, «Augmented Reality».  

Wollen Sie mit dem Metaverse die «echte» Welt ersetzen? 

Keinesfalls. Im Kern geht es darum, zusätzliche soziale Erlebnisse zu schaffen. Die physische Welt soll und kann nicht ersetzt werden. Die Coronapandemie hat uns als Gesellschaft vor Augen geführt, wie wichtig reale Kontakte für unser Wohlbefinden sowie unser «Wir-Gefühl» sind. Wir erachten das Metaversum aber als eine tolle Chance, um diese Dynamiken noch zu bereichern.  

Wie wird das Metaverse die Erbringung Ihrer Dienstleistungen verändern?  

Wir können Unternehmen, darunter auch kleinen und mittelständischen Unternehmen, neue digitale Möglichkeiten erschliessen. Die entscheidende Frage dabei lautet: Kann ich mein Produkt- und Dienstleistungsangebot – oder zumindest Teile davon – digitalisieren? Dann nämlich lassen sich aufregende, neue Erfahrungen um eine bestehende Marke kreieren.

Nehmen wir den Kundenservice als Beispiel. Heute lässt sich der Bereich «Business Messaging» über ein Callcenter abwickeln. Diese Dienstleistung wird sich künftig ideal ins Metaversum auslagern lassen. Kundinnen und Kunden können ihren Berater oder ihre Beraterin dann virtuell «nach Hause» holen. In diesem Feld erleben wir jetzt schon unglaublich viel Kreativität und stellen ein enormes Momentum fest.  

Wie lange wird es dauern, bis immer mehr Dienstleistungen in der virtuellen Realität erbracht werden? 

Dieser Wandel ist eine langfristige Angelegenheit und weist einen entsprechend weiten Zeitrahmen auf. Dieser erstreckt sich über die nächsten 10 bis 15 Jahre. Einerseits müssen sich neue Dienstleistungsmodelle entwickelten, andererseits weist auch die benötigte Virtual-Reality-Hardware noch Verbesserungspotenzial auf. Die neue Generation der VR-Brille Meta Quest ist eines der Geräte, die den Weg dafür ebnen werden.

Derzeit sind für die Fortbewegung im virtuellen Raum noch Controller vonnöten, künftig wird man wahrscheinlich darauf verzichten können. Dafür müssen die Chips leistungsfähiger und die Technologie niederschwelliger werden. Wichtig ist auch zu verstehen, dass wir das Metaversum nicht besitzen.

Wir entwickeln es nur mit und bauen gemeinsam mit unzähligen anderen Akteur:innen neue Welten. Dazu gehören nebst Unternehmen auch Non-Profit-Organisationen, Vereine – und auch die Wissenschaft kann und soll hier tätig werden.   

Welche weiteren «Game-Changer-Technologien» sehen Sie nebst dem Metaverse auf uns zukommen? 

Ich denke, dass sich die virtuelle Realität in vielen weiteren neuen Anwendungen niederschlagen und damit Folge-Innovationen nach sich ziehen wird. Effizienzgewinne und mehr Nachhaltigkeit gehören sicherlich zu den Faktoren, die dabei essenziell sein werden. Nestlé erforscht beispielsweise derzeit Möglichkeiten, um die weltweiten Betriebsbesuche in den virtuellen Raum zu verlagern – um dadurch Zeit, Geld und Emissionen einzusparen.

Bis es soweit ist, werden wir aber noch einige grosse technischen Sprünge vollziehen müssen. Weitere wichtige Themen werden Künstliche Intelligenz sowie eine smarte und effiziente Serverinfrastruktur sein. Und wie immer, wenn man Innovation vorantreibt, muss man auch Rückschläge und Enttäuschungen hinnehmen. Das gehört ganz einfach dazu. Ebenso, wie daraus die notwendigen Lehren zu ziehen und danach wieder die nächsten Schritte nach vorn zu tun.

Interview SMA  
Bilder zVg

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Zur Person:

Tino Krause (43) ist seit mehr als dreieinhalb Jahren bei Meta (ehemals Facebook) tätig, zuerst als Country Director für die DACH-Region, heute als Zuständiger für ganz Zentraleuropa.

Zuvor arbeitete er bei der Werbeagentur Mediacom, wo er vor seinem Wechsel zu Meta für fast zwei Jahre die CEO-Position bekleidete.  

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