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Recht Sicherheit

Präventive Terrormassnahmen im Namen der Sicherheit

27.05.2021
von Mohan Mani

Mit dem neuen Terrorismus-Gesetz soll die Polizei mehr Möglichkeiten erhalten, um Terroranschläge in der Schweiz zu verhindern. Aber wird unser Land damit sicherer? Oder sind durch die Terrormassnahmen die Grundrechte gefährdet?

Paris, Wien, Berlin: drei Schauplätze von Terroranschlägen in Europa in den vergangenen Jahren. Laut den Sicherheitsbehörden sind Terrorakte auch hierzulande möglich. «Die Terrorbedrohung in der Schweiz bleibt erhöht», heisst es dazu im jüngsten Bericht des Bundesrats zur Beurteilung der Bedrohungslage. Braucht es deshalb neue Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus? Oder haben die Behörden schon genügend Möglichkeiten, um Terroranschläge zu verhindern?  Die Vorlage sieht etwa eine Meldepflicht bei den Behörden, Kontakt-, Rayon- und Ausreiseverbote sowie Hausarrest vor – dies auch schon für Jugendliche. «Die Massnahmen richten sich nur gegen terroristische Gefährder», sagte Bundesrätin Keller-Sutter kürzlich in der «Abstimmungs-Arena» von SRF. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, widerspricht: «Die Terrorismusdefinition ist extrem weit gefasst und gefährlich.» Muss die Polizei handeln können, bevor es zu spät ist? Oder öffnet das Gesetz der Willkür Tür und Tor?

Mehr Sicherheit durch mehr Terrormassnahmen?

Klar ist: Die Auseinandersetzung zum Thema Terrorismus ist wichtig und muss mit einem realen Blick auf die potenzielle Terrorgefahr, die auch in der Schweiz besteht, geführt werden. Beim Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) stellt sich jedoch die Frage, ob dieses tatsächlich mehr Sicherheit schafft. Die Verhältnismässigkeit ist in diesem Zusammenhang zentral: Das Gesetz wirft ausschlaggebende Fragen nach der Vereinbarkeit der Terrorismusbekämpfung mit Grund- und Menschenrechten auf. Die Frage stellt sich also: Wie gewichtet man Sicherheit? In ihrer «foraus-Publikation» argumentieren Nora Naji und Darja Schildknecht, dass Grund- und Menschenrechte nicht verhandelbar seien und schon gar nicht für ein System, welches durch Stereotypisierung und Marginalisierung gewisser Gemeinschaften noch zu mehr Unsicherheit führen könne.

Repressive Handlungskompetenzen

Das Zentrale an juristischen Massstäben ist die Tatsache, dass für alle die gleichen gelten – auch für die Terrorismusbekämpfung. Diese Sicherheit macht einen Rechtsstaat aus: «Seit den Ereignissen von 9/11 wurden die Handlungskompetenzen der Staaten bezüglich Terrorismusbekämpfung stetig ausgeweitet, jedoch vorwiegend durch die Ausweitung von Strafnormen und somit des Rechtsstaats, wenn man so will», sagt Darja Schildknecht gegenüber «Fokus». Sie ist Doktorandin an der Universität Basel und setz sich kritisch mit der globalen Anti-Terrorismus-Agenda auseinander. «Diese Ausweitung alleine hat weltweit zu massiven Menschenrechtsverletzungen in der Ausführung der Terrorismusbekämpfung geführt. Das vorliegende Bundesgesetz mit polizeilich-präventiven Massnahmen geht jedoch weiter als andere Anti-Terror-Gesetze von westlichen Ländern, da die Polizei bereits repressive Handlungskompetenzen ausserhalb eines Strafverfahrens erhält. Dies führt zu einer Aufhebung der Gewaltenteilung von Exekutive und Judikative und untergräbt einen funktionierenden Rechtsstaat. Hier sind wir wieder bei der Verhältnismässigkeit: Wir sind überzeugt, dass die Grund- und Menschenrechte eines Jeden gewahrt werden müssen – auch bei der Bekämpfung von Terrorismus.»

Aktivitäten von Gefährdenden

Viele Leute denken und handeln nach dem Motto «Wenn ich nichts zu verbergen habe, dann spielt eine staatliche oder polizeiliche Überwachung ja auch keine Rolle». – Grundsätzlich ist dieses Denken im Bereich Terrorismus meistens mit der Annahme verbunden, dass man selbst von den Massnahmen nicht betroffen ist. Das PMT geht gemäss Schildknecht weit über eine «reine» polizeiliche Überwachung hinaus, da ganz konkrete Massnahmen ergriffen werden können, wie beispielsweise die Meldepflicht, ein Ausreiseverbot oder ein Kontaktverbot, sofern man in die Kategorie eines «Gefährdenden» fällt. Das Gesetz definiert Aktivitäten, die zum Status eines Gefährdenden führen können, als «Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung, die durch die Begehung oder Androhung von schweren Straftaten oder mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken verwirklicht oder begünstigt werden sollen».

Gefahr von Willkür

Politisches Engagement, welches Furcht und Schrecken begünstigt, könnte also zukünftig auch ohne Androhung von Gewalt oder Straftaten als terroristische Aktivität verfolgt werden: «Hier liegt also der Hund begraben», sagt Schildknecht abschliessend. «Die Gefahr liegt bei der willkürlichen Umsetzung dieses Gesetzes – es fehlen klare Anhaltspunkte für die Einstufung von gewissen Personen als Gefährderinnen und Gefährder». Drum ist es ihr ein Anliegen, nicht unkritisch in den Ruf nach mehr Sicherheit einzustimmen, sondern sich für eine qualitative Verbesserung von bestehenden Strukturen in der Schweiz einzusetzen und die globale Dimension und Signalwirkung der Massnahmen ins Zentrum zu rücken.

Text Mohan Mani 

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