andrin schweizer in seinem büro
Einrichtung Wohnen Interview

Andrin Schweizer: «Gebrauchsspuren machen ein Zuhause lebendig»

11.05.2020
von Fatima Di Pane

Als Architekt ist Andrin Schweizer weltweit erfolgreich. Im Interview mit «Fokus» verrät er die aktuellen Frühlingstrends und gibt Tipps zur Gestaltung der ersten gemeinsamen Wohnung. 

Im Frühling ist es spannend zu sehen, welche Trends für Balkon und Terrassen präsentiert werden. Der Megatrend, Aussenflächen wie Wohnzimmer zu möblieren, verstärkt sich noch einmal. Es gibt kaum einen Hersteller, der keine Sofas, Sessel, Stehleuchten oder Teppiche für draussen anbietet. Es gibt, was die Möblierung betrifft, inzwischen kaum mehr einen Unterscheid zwischen Innen und Aussen.

Mit welchen Tricks lässt sich ein Balkon zur heimischen Oase verwandeln?

Dieser Trend der Outdoor-Möblierung macht es einfach, auch den schäbigsten Balkon wohnlich zu gestalten. Ein schöner Aussenteppich verdeckt hässliche Platten. Ein Sofa lädt zum Entspannen ein. Eine hübsche Leuchte sorgt am Abend für eine gemütliche Atmosphäre. Die Produkte gibt es inzwischen auch in allen Preiskategorien.

Wie kann ein Laie eine erfolgreiche Farbpalette für die Wohnungseinrichtung wählen? Einfach zusammenwürfeln, was gefällt?

Das ist natürlich eine Geschmacksfrage, wie alles beim Einrichten. Es gibt kein Richtig und schon gar kein Falsch. Denen, die auf Nummer sicher gehen möchten und etwas mutlos sind, empfehle ich, mit nicht mehr als zwei Farbfamilien pro Raum zu arbeiten und im Mischen von Mustern eher zurückhaltend zu sein. Aber wer möchte schon mutlos sein? Also einfach ausprobieren!

Andrin SchweizerAngenommen, jemand hat kein Budget übrig für eine neue Einrichtung, möchte aber das Zuhause aufhübschen. Was empfehlen Sie?

Investieren Sie das wenige Geld in Farbe. Nichts verändert die Atmosphäre eines Raumes mit kleinstem Aufwand so dramatisch wie eine neue Wandfarbe.

Fast alles hat in einem gewissen Kontext seine Berechtigung. Es macht mir auch Spass, in unterschiedlichen Stilrichtungen zu entwerfen. Woran ich mich ein wenig satt gesehen habe, ist die Industrial-Vintage-Nummer.

Sie haben mit ihrem Architekturbüro schon zahlreiche Projekte umsetzen können. Haben Sie ein Lieblingsprojekt?

Es sind immer die Projekte, an denen ich gerade arbeite. Momentan sind das eine grosse Villa am Vierwaldstättersee und ein Haus aus dem 18. Jahrhundert in London. Ich finde es immer wieder spannend und aufregend, neue Herausforderungen anzunehmen und auch stilistisch in neue Welten einzutauchen. Dann wird dieses Jahr noch das von uns gestaltete Hotel St. Peter in Zürich eröffnet. Da freue ich mich ganz besonders drauf und bin gespannt, wie die Reaktionen der Gäste sein werden.

Woran ich mich ein wenig satt gesehen habe, ist die Industrial-Vintage-Nummer. Andrin Schweizer

Wenn Zeit und Geld keine Rolle spielen würden: Welches Projekt würden Sie angehen?

Es würde mich nach vielen Jahren, die ich fast ausschliesslich als Innenarchitekt tätig war, tatsächlich reizen, mir ein eigenes Haus zu bauen. Schliesslich habe ich ursprünglich Architektur studiert. Mir von Grund auf zu überlegen, wie ich gerne wohnen möchte und das in aller Konsequenz umzusetzen, stelle ich mir sehr befriedigend vor. Momentan bin ich aber in unserem umgebauten Haus sehr glücklich und lebe gut mit den Kompromissen, die man bei einem Umbau und einem nicht unbeschränkten Budget halt eingehen muss.

Was halten Sie von Einrichtungsphilosophien wie Feng-Shui?

Ich kenne mich ehrlich gesagt wenig aus mit Feng-Shui und es interessiert mich auch nicht wirklich. Meine Inspirationen hole ich mir meistens aus dem Kontext eines Projektes. Es ist für meine Entwürfe ausschlaggebend, in welcher Zeit ein Haus entstand und wo es geografisch steht. Für mich ist es wichtig, dass man sich in den von mir gestalteten Räumen wohlfühlt, deshalb treffe ich viele Entscheide auch aus dem Bauch heraus. Mich auf eine Lehre zu beziehen, die weder mit unserer Kultur noch mit unserer Geschichte zu tun hat, fände ich etwas fragwürdig.

Sie haben Ihr Haus gemeinsam mit Ihrem Mann gestaltet, der ebenfalls in der Innenarchitektur tätig ist. Was war Ihnen bei der Gestaltung Ihres Zuhauses besonders wichtig?

Mein Partner ist Art Director für die Abteilung Heim und Haushalt bei Globus. Er ist also beim Einrichten eher fürs Kleinteilige zuständig. Insofern haben wir uns perfekt ergänzt. Die Gestaltung unseres Zuhauses war ganz stark von der Architektur des Hauses geprägt. Es wurde in den Sechzigern gebaut und wir haben versucht, die Atmosphäre dieser Zeit für unsere Zeit neu zu interpretieren.

Ein Paar gestaltet die erste gemeinsame Wohnung und hat mit Geschmacksunterschieden zu kämpfen. Was empfehlen Sie?

Sie sollten sich sofort trennen! Nein, Spass beiseite: Wenn es wirklich hart auf hart kommt und sich kein Kompromiss finden lässt, würde ich klare Demarkationslinien durch die Wohnung ziehen. Die einzelnen Zimmer gerecht zu verteilen, zum Beispiel. Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass sämtliche Räume einer Wohnung in der gleichen Stilrichtung gestaltet werden müssen. Ich würde diesen Konflikt als Chance sehen, um eine spannende, vielschichtige Wohnung zu gestalten. Wie eine Person ist auch eine Wohnung, die nur eine Geschichte zu erzählen hat, mit der Zeit langweilig.

Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass sämtliche Räume einer Wohnung in der gleichen Stilrichtung gestaltet werden müssen. Andrin Schweizer

Andrin Schweizer, Sie hatten jahrelang einen Labrador. Wie schützt man die schöne Einrichtung vor neugierigen Tierpfoten?

Wir vermissen ehrlich gesagt die Pfoten, die unser verstorbener Hund immer auf unserem dunklen Parkett hinterlassen hat. Eine Einrichtung ist da, um gebraucht zu werden. Man sollte sie nicht vor dem Leben schützen wollen. Gebrauchsspuren machen ein Zuhause erst lebendig.

Welches ist Ihr Lieblingsstück in Ihrem Zuhause?

Mein liebster Einrichtungsgegenstand ist unser Aussensofa beim Pool. Darauf verbringe ich im Sommer jede freie Minute.

Kurz & knapp:

Satte Farben oder Pastell?
Eher Pastell

Kaktus oder Blumen?
Draussen Blumen, drinnen Kakteen

Minimalismus oder Kitsch?
Das Gegenteil von Minimalismus wäre wohl eher Opulenz. In dem Fall unbedingt Opulenz.

Zeitlos oder trendy?
Nichts ist zeitlos. Alles ist Trends unterworfen. Alles eine Frage der Perspektive.

Interview Fatima Di Pane

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