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Digitalisierung Recht

Künstliche Intelligenz verändert auch die Rechtsbranche

10.06.2023
von SMA

Legal-Tech automatisiert mit künstlicher Intelligenz Routineaufgaben und steigert die Effizienz von Anwaltskanzleien. Für komplexe juristische Sachverhalte sind aber nach wie vor menschliches Denken und Handeln nötig.

Streit mit dem Vermieter, mit dem Arbeitgeber, mit der Fluggesellschaft oder mit der Polizei nach einer Parkbusse. Auch wer sich vermeintlich im Recht befindet, leistet sich als Normalverdiener in diesen Fällen meistens keine rechtliche Beihilfe. Zu teuer und oft mit unsicherem Ausgang, also lieber in den sauren Apfel beissen. Eine Rechtsschutzversicherung haben die wenigsten abgeschlossen und sie ist im Nachhinein für aktuelle Rechtsstreitigkeiten auch gar nicht mehr abschliessbar.

Rechtsauskunft per Knopfdruck

In Zukunft wird es wohl möglich sein, dass man über eine Legal-Tech-gesteuertes Tool vorab kurz abklären kann, ob es sich überhaupt lohnt, zu klagen, Einsprache zu erheben oder ein Verfahren weiterzuziehen. Das Tool stellt ein paar Fragen dazu, beurteilt die einzelnen Kriterien, durchforstet und analysiert die Rechtsgrundlagen und gibt schnell und unkompliziert eine Empfehlung ab, ob es Sinn macht, den Rechtsweg zu beschreiten und einen Anwalt, eine Anwältin zu beauftragen. Wenn diese Antworten auch mit Vorsicht zu geniessen sind – der Zugang zu Rechtsmitteln für auskunftssuchende Personen wird durch die Digitalisierung sicher zunehmend erleichtert.

Funktionierende Tools bereits im Einsatz

«Für einfache Fragen und beschränkte Sachverhalte existieren solche Tools tatsächlich bereits und sie funktionieren auch», bestätigt Roland Köchli, Rechtsanwalt und Partner der Anwaltskanzlei Altenburger Ltd legal + tax. Er kümmert sich zudem beim Schweizerischen Anwaltsverband um die Digitalisierung der Branche. So gebe es beispielsweise im Luftverkehr bereits digitale Plattformen, die Entschädigungsansprüche von Passagieren durchsetzen. «Tools, die für komplexe Sachverhalte konkrete juristische Antworten bereithalten, sind mir allerdings nicht bekannt», ergänzt Köchli.

Chatbots für juristische Fragen einzusetzen, kann also problematisch sein – selbst ChatGPT rät davon ab.

Ersetzt die Legal Technology und damit die künstliche Intelligenz bald die Arbeit von Rechtsanwälten? Das sicher nicht, aber sie wird dazu beitragen, dass Anwältinnen und Anwälte ihre Arbeit schneller erledigen und Fleissarbeit sozusagen delegieren können. Mit Legal-Tech-Tools können bestimmte repetitive Aufgaben automatisiert werden, wie beispielsweise das Ausfüllen von wiederkehrenden Formularen. Sie können grosse Mengen an Daten und Informationen nach vorgegebenen Kriterien schnell durchsuchen und analysieren. Und sie können sogar für juristische Prüfungen eingesetzt werden oder für die Erstellung von Verträgen, die rechtlich gesichert sind.

Entlastung von Routinearbeiten

Zudem arbeiten immer mehr Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit ChatGPT und sind dabei, herauszufinden, wie die künstliche Intelligenz im Arbeitsalltag zur Entlastung beitragen kann. Momentan kann es bereits für das Kürzen von Texten oder für einfache und standardmässige Korrespondenz eingesetzt werden. Auch eine einfache Rechtsberatung kann ChatGPT leisten – nur weiss man nicht so recht, woher sich das Tool die Informationen holt und ob sie auch korrekt sind. Als Laie sollte man sich deshalb auf diese Auskünfte nicht verlassen.

Roland Köchli bestätigt, dass ChatGPT durchaus in der Lage ist, Verträge oder Briefe zu schreiben. «Allerdings arbeitet ChatGPT nur mit den Informationen, die die Maschine erhält. Im Gegensatz dazu stellt ein Anwalt immer sicher, dass sämtliche notwendigen Informationen Einfluss in den Vertrag finden und fragt nach, wenn etwas Wichtiges fehlt», schränkt er ein. Ausserdem gelte die Grundregel: Man müsse verstehen, was die Maschine produziere. So wie man auch die Ergebnisse von Übersetzungstools überprüfen müsse, um sicherzustellen, dass die Aussage mit der Originalsprache noch übereinstimme. Und die Grenzen seien natürlich der Datenschutz und das Anwaltsgeheimnis.

Auf dem Weg zur digitalen Kanzlei

Die meisten Anwaltskanzleien haben die Zeichen der Zeit erkannt und sehen in der Digitalisierung grosses Potenzial, die Arbeitsweise an die Anforderungen der Gegenwart und der Zukunft anzupassen. Das sieht auch Roland Köchli so: «Legal Tech hat einen grossen Einfluss auf die Rechtsbranche und viele Kanzleien verwenden digitale Hilfsmittel, um die Arbeit zu erleichtern. Das beginnt mit Anwaltssoftware und geht weiter über Tools zur Unterstützung bei der Bearbeitung von grossen Datenmengen. Und selbstverständlich setzen wir wie alle anderen auch Übersetzungstools ein, soweit diese mit dem Anwaltsgeheimnis und dem Datenschutz vereinbar sind.»

Chance für Start-ups

Durch die digitale Transformation wird die Rechtsbranche auch für viele Start-ups interessant – ein Grund mehr, dass sich etablierte und noch weitgehend analoge Kanzleien dem Zeitgeist und auch den Erwartungen der Kunden und Kundinnen schnell anpassen müssen. Die Jungunternehmen konzentrieren sich vor allem auf die Entwicklung von Fixpreisangeboten von Rechtsdienstleistungen. Gemeint sind damit beispielsweise Standardvorlagen im Erb-, Vertrags- oder Arbeitsrecht, die sich oft nur in wenigen Details unterscheiden und deshalb automatisiert ausgefertigt werden können.

ChatGPT rät von ChatGPT ab

Chatbots für juristische Fragen einzusetzen, kann also problematisch sein – selbst ChatGPT rät davon ab. Auf die entsprechende Anfrage antwortet er, der Chatbot basiere auf einem Algorithmus, der zwar Aufgaben lösen und Fragen beantworten könne – diese seien aber nicht immer zuverlässig und korrekt.

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