Wir sind glücklicher, wenn uns ein Gefühl von Behaglichkeit umgibt. Darüber hinaus auch gesünder und stressfreier, wie Untersuchungen ausweisen. Beziehungen mit Tiefgang sind eine Quelle Freude und bieten Unterstützung. Das Beste daran: Freundschaften zu schliessen, verlernt man nicht mit den Jahren, aber es erfordert Engagement.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde schon viel über Freundschaften gesprochen und geschrieben. Auch der griechische Philosoph Aristoteles griff nach seiner Feder und nahm sich des Begriffs an. In der ihm zugeschriebenen Nikomachischen Ethik unterscheidet er grob zwischen drei Typen von Freundschaft, erklärt Dr. Gerald Mollenhorst der Universität Utrecht: «Eine erste Art von Freundschaft hat vor allem einen nützlichen Aspekt. Eine Freundin oder ein Freund kann eine Person sein, die bei der Arbeit oder im Krankheitsfall bei Besorgungen Unterstützung bietet. Innerhalb anderer Freundschaften trifft man sich, um Spass zu haben und gemeinsam eine gute Zeit zu verbringen. Eine dritte – laut Aristoteles die ultimative Form der Freundschaft – ist die, bei der Liebe und Leid geteilt und das Beste aus dem Gegenüber herausgeholt wird.»
Der Soziologe stellt aber klar, dass es schwierig ist, ein Werturteil über Freundschaften zu fällen. Die Vorstellungen einer Freundschaft sind individuell geprägt und die Geschlechter erleben sie auf unterschiedliche Weise. Zumindest wird ein solcher Unterschied gesellschaftlich wahrgenommen, wie die gängigen Stereotypen beweisen: Während Männer oft damit zufrieden sind, mit ihren Freunden einfach Spass zu haben, finden es Frauen besonders wichtig, mit ihren Freundinnen tiefer gehende persönliche Gespräche zu führen. Ausserdem bestehen internationale Differenzen. In den USA ist es ganz selbstverständlich, Partner:innen und Familienmitglieder zum Freundeskreis zu zählen, während wir in Europa unsere nahen Verwandten im Allgemeinen nicht als unsere Freund:innen bezeichnen.
Für romantischen Beziehungen tun wir die verrücktesten Dinge, warum also nicht auch für eine Freundschaft ein wenig selbstbewusster auftreten? Selma Franssen, Autorin
Diese Unterschiede erschweren eine Quantifizierung von Freundschaften und man kann sich kaum in Zahlen ausdrücken. Mollenhorst hält fest, dass wir im Durchschnitt etwa drei enge Freund:innen haben und darüber hinaus etwa zehn lockere Freundschaften pflegen. Diese Anteile bleiben über die Jahre hinweg relativ stabil. Es bedeutet aber nicht, dass die Zusammenstellung eines Freundeskreises dieselbe bleibt. «In der Regel erneuert sich der Freundeskreis innert sieben Jahren um die Hälfte. Einige Freundschaften wandern vom Kern in die Peripherie, andere verschwinden komplett aus dem Blickfeld. An ihre Stelle rücken andere Menschen: neue Gesichter oder alte Bekannte.»
Der natürliche Verlauf unserer Freundschaften ist eng mit dem Umfeld und der Lebensphase verbunden, bestätigt die Autorin, Consultant und Programmgestalterin Selma Franssen. «Viele Freunde lernt man in einem bestimmten Kontext kennen, z. B. während des Studiums, bei der Arbeit oder durch die Schule der Kinder. Wenn sich dieser Kontext ändert, weil man beispielsweise das Studium beendet oder an einen anderen Ort umzieht, kann eine Distanz zwischen Freund:innen entstehen. Wer es nicht schafft, sich weiterhin regelmässig zu treffen und Gemeinsamkeiten zu finden, sieht oft auch die Freundschaft schwinden.»
Eine enge Freundschaft baut auf Kontinuität, Freude und Vertrauen auf, sagt Franssen. Allerdings muss nicht jede Freundschaft sofort in die Tiefe gehen. «Es kann sich ziemlich stressig anfühlen, wenn man völlig neue Freundschaften schliessen ‹muss›. Mein erster Ratschlag: Sich nicht zu sehr unter Druck setzen. Man sollte sich überlegen, was man in erster Linie braucht: Eine Freundschaft für die Freizeit, um etwas zu unternehmen? Oder will man eine tiefere Verbindung eingehen? Bevor man sich für einen Sportverein oder ein neues Hobby anmeldet, sollte man sich näher umsehen. Mit wem hat es immer gut geklickt, ohne dass man sich näher kennengelernt hat? Hat man vielleicht jemanden aus den Augen verloren, den oder die man gerne wiedersehen würde? Das Schöne an Freundschaften ist, dass man oft dort weitermachen kann, wo man aufgehört hat.»
Auch Bekanntschaften von Freund:innen sind ein dankbares Fischbecken. «Zum Beispiel kann man ein ‹second-degree Dinner›, zu dem jeder Gast jemanden aus seinem eigenen Kreis mitbringt. Ein idealer Weg, um den Pool an Bekanntschaften zu erweitern. Man darf sich auch ruhig trauen, über die Grenzen der eigenen Altersgruppe hinauszuschauen. Aus einer Mentorenrolle bei der Arbeit kann sich eine wunderbare Freundschaft entwickeln, wenn man abseits vorgetrampelter Wege geht. Das ist mein vielleicht wichtigster Tipp: Wenn es bei Klick macht, darf man den Schritt wagen, sich gegenseitig auf einen Kaffee einzuladen. Für romantische Beziehungen tun wir die verrücktesten Dinge, warum also nicht auch für eine Freundschaft ein wenig selbstbewusster auftreten?»
Text Heleen Driesen
Schreibe einen Kommentar