Interview von Marlène von Arx

«Die Ermächtigung von Frauen ist nötig für das Überleben unseres Planeten»

In eine legendäre Hollywood-Dynastie geboren, war Jane Fonda schon früh zu Grossem prädestiniert.Und sie enttäuschte nicht: vom Filmstar zum Fitness-Guru, von der Bürgerrechtlerin zur Klima-Aktivistin – Jane Fonda war und ist auch heute, mit 84 Jahren, stets an der Front dabei. Letztes Jahr wurde sie mit dem Cecil B. deMille Award für ihr Lebenswerk geehrt. Anlässlich dieser Ehrung blickt sie auf ihr Leben zurück und erklärt, wieso sie bis zum letzten Atemzug auf die Barrikaden gehen wird. 

Jane Fonda, herzlichen Glückwunsch zum Cecil B. deMille Award, einem der wichtigsten Preise in Hollywood für das Lebenswerk. 

Danke. Ich fühle mich wirklich sehr geehrt. 

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken: Welche Ihrer Filme stehen Ihnen besonders nahe?

Da muss ich drei erwähnen: «Klute» weil es ein guter Film ist, mir meinen ersten Oscar einbrachte und weil er meine Schauspielfähigkeit und meine Karriere auf ein neues Niveau gehievt hat. Zweitens: «Coming Home», weil mir das Thema Kriegsveteranen am Herzen lag und ich den Film mitgestaltend produzierte. Und der dritte ist «On Golden Pond», weil ich vor seinem Tod noch mit meinem Vater arbeiten wollte. Es war eine schöne Erfahrung und er starb vier Monate nachdem der Film ins Kino kam.

Gibt es Co-Stars, an die Sie sich gerne erinnern?

Robert Redford gehört sicher dazu. Mit ihm habe ich vier Filme gedreht. Donald Sutherland – aber ihn sehe ich nicht oft. Das letzte Mal vor ein paar Jahren am Filmfestival von Venedig. Aber er wollte scheinbar nicht mit mir reden – wir waren ja mal ein Paar und jetzt ist er verheiratet. Überhaupt: Die meisten guten Erinnerungen sind eher mit weiblichen Co-Stars als mit männlichen verbunden. An meinen Vater habe ich natürlich auch gute Erinnerungen. Ich denke auch jetzt noch jeden Tag an ihn.

Ihr Vater, Hollywood-Ikone Henry Fonda, hat Ihr Leben sehr geprägt. Was haben Sie von ihm gelernt?

Er ist tatsächlich sehr präsent in meinem Leben. Als ich meine Memoiren «My Life so Far» schrieb, rief mich Martin Luther King’s Tochter Yolanda an. Den Grund weiss ich nicht mehr. Ich fragte sie, ob ihr Vater sie auf den Schoss nahm und sie über das Leben und wichtige Werte instruierte. Sie verneinte. Und bei meinem Vater war es auch so. Er hat mir eigentlich nichts direkt beigebracht. Aber Yolanda hat die Predigten ihres Vaters und ich habe die Filme von meinem.

Es gibt viele Probleme in der Welt, aber wenn wir die Klimakrise nicht lösen, sind die anderen kein Thema mehr.

Durch die Filme hat er mich Gerechtigkeit, Fairness und Gleichberechtigung gelehrt. Er war kein Plauderer und gehörte zur Generation von Männern, die keine Gefühle zeigen wollten. Er mochte es auch nicht, wenn andere Leute in seiner Gegenwart emotional wurden. Aber ich liebte und bewunderte ihn sehr.

Sie haben selbst auch viele Bewunderer. Und das nicht nur bei den Film-Fans. Sie engagieren sich beispielsweise stark gegen die Klimakrise. Wieso haben Sie darauf Ihren Fokus gelegt?

Es gibt viele Probleme in der Welt, aber wenn wir die Klimakrise nicht lösen, sind die anderen kein Thema mehr. Die Wissenschaft sagt, wir müssen die fossilen Brennstoff-Emissionen bis 2030 halbieren. Das ist sehr schwierig, aber machbar. Wenn wir ganz viele Menschen sind, die das gemeinsam fordern.

Das tun Sie ja mit ihren «Fire Drill Fridays»-Videos….

Genau, da ich berühmt bin, habe ich eine grosse Reichweite. In unserem ersten Online-Jahr 2020 erreichten wir neun Millionen Viewers auf unseren Plattformen. Ich erreiche vor allem ältere Frauen, die jetzt mutiger werden und kampfbereiter sind. Viele von ihnen haben wie ich keinen Mann mehr, der unsere Stärke unterbindet. Wir sind das am schnellsten wachsende Bevölkerungssegment. Also versuche ich, Frauen zu ermutigen, sich der Klimabewegung anzuschliessen.

Und es zeigt sich auch: In Ländern, die eine Frau als Staatsoberhaupt haben oder die Hälfte des Parlaments weiblich ist, werden eher Klima-Resolutionen und bessere Umweltgesetze verabschiedet. Ich glaube deshalb, die Ermächtigung von Frauen ist nötig für das Überleben unseres Planeten.

Vor dem ersten Lockdown fanden die «Fire Drill Fridays» in Washington live vor Ort statt und Sie wurden dabei mehrmals verhaftet. Gibt es für Sie weiter zivilen Ungehorsam nach der Pandemie?

Ja und ich werde auch andere zum zivilen Ungehorsam ermuntern. Die Klimakrise bestimmt die Zukunft unserer Zivilisation. Alles hängt davon ab, dass wir die Emissions-Reduktionswerte erreichen, die uns die Wissenschaft vorrechnet. Ich bin jetzt 84 Jahre alt. Das Klima wird also bis am Ende meines Lebens mein Fokus sein. Und wenn wir alle wieder sicher zusammen sein können, gehe ich auch wieder auf die Strasse und kämpfe.

Hauptberuflich sind Sie nach wie vor Schauspielerin. Glauben Sie, dass man auch mit Film und Fernsehen die Welt verändern kann?

Ich glaube, dass Kunst in Zeiten von Chaos und Tumult besonders wichtig ist. Filme können uns helfen, Menschen zu verstehen, die nicht sind wie wir. Seit ich zur Aktivistin wurde, suchte ich nach Geschichten, die unsere Welt erklären und unsere Empathie fördern.

Es ist wichtig, dass man seine Stärken und Schwächen versteht, wenn man älter wird.

Ich versuche, zu vermeiden, was beleidigend und heruntermachend ist und uns Menschen weniger komplex zeigt, als wir sind. Manchmal brauchen wir auch einfach nur etwas zum Lachen. Wir sollten alle etwas mehr lachen.

Was halten Sie denn von der vor allem in den USA grassierenden Cancel Culture? 

Man kann es damit übertreiben, aber es ist an der Zeit, dass Leute zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie Schwarze oder Frauen erniedrigen. Es war längst überfällig, dass sich die Leute überlegen müssen, wie ihre Worte und Taten andere treffen. Und wenn sie etwas tun, das gemein und grausam, rassistisch oder frauenfeindlich ist, dann sollen sie auch einen Preis dafür zahlen müssen. Wir müssen Empathie lernen und aufhören, andere zu verletzen. Und wenn wir es doch tun, muss es uns leidtun.

Sie sind seit Jahren eine Aktivistin und haben sich in politischen Kreisen bewegt. Wieso haben Sie sich nie für ein politisches Amt aufgestellt?

Weil ich nicht geeignet dazu bin. Wenn ich gute Politikerinnen wie Amy Klobuchar oder Pramila Jayapal sehe, wie sie bei Hearings Fragen stellen, dann muss ich einfach sagen: Ich weiss nicht, wie sie das machen. Ich bin keine gute Leaderin. Ich kann gut folgen und verbreiten, was gescheite Leute sagen.

Aber ich bin nicht die, die auf die brillanten Ideen kommt. Es ist wichtig, dass man seine Stärken und Schwächen versteht, wenn man älter wird. Ich umgebe mich deshalb mit gescheiten Leuten und versuche, ihre Ideen zu verbreiten.

Woher nehmen Sie mit 84 Jahren die Energie?

Ich schlafe neun Stunden, mache Sport und esse gesund.  Bewegung ist wirklich wichtig. Ich hatte in den letzten Jahren drei Hüftoperationen – nicht, dass ich drei Hüfte hätte, eine musste ich zweimal machen. Da erholt man sich einfach besser, wenn man stark, gesund und beweglich ist. 

Von Ihrer Netflix-Serie «Grace and Frankie» gibt es inzwischen sieben Staffeln. Welches Verhältnis haben Sie selbst zum Fernsehen und zum Streaming?

Die ersten zehn Jahre meines Lebens gab es keinen Fernseher und auch später schaute ich nicht viel fern, da ich meistens draussen auf Bäume kletterte. TV war nicht in meiner DNA. Dann schaute ich einmal eine Award-Show und realisierte, dass ich gar niemanden kannte, der für TV-Shows nominiert war.

Ich lebe ja jetzt alleine und muss auf niemanden mehr Rücksicht nehmen.

Es dämmerte mir auch, dass ich mit zunehmendem Alter wohl eher Fernseh-Rollen angeboten bekommen würde und dass ich mich darüber schlau machen sollte. 

Während der Pandemie war man ja besonders dankbar für gute TV-Shows…

Genau. Ich habe mehr oder weniger alles gesehen, was in dieser Zeit produziert wurde. Jeden Film, jede TV-Serie. Mir sagen nun alle Nominierten etwas (lacht). Und so wird es für mich wohl auch bleiben. Ich lebe ja jetzt alleine und muss auf niemanden mehr Rücksicht nehmen. Ich muss mit niemanden darüber streiten, ob wir jetzt Basketball oder «Dancing with the Stars» schauen. 

Sie haben Award-Shows erwähnt. Welche Höhepunkte stechen da für Sie persönlich heraus? 

Ach, ich war an so vielen Award-Shows – an die meisten kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Meine erste Award-Show überhaupt war 1962, als ich bei den Golden Globes als Most Promising Young Actress ausgezeichnet wurde. Marilyn Monroe war da – das weiss ich noch. Und ich war auch mal als Begleitung meines Sohnes Troy Garity an den Globes, der für «Soldier’s Girl» nominiert war. Das war natürlich ein sehr stolzer Moment für mich. Er hätte gewinnen sollen! Stattdessen gewann Al Pacino. Aber gegen Al Pacino zu verlieren, ist ja nicht so tragisch. 

Ihre Kinder sind im Hintergrund aufgewachsen. Jedenfalls wissen wohl viele Leute nicht, dass Sie ein Mädchen adoptiert haben, dessen Eltern der Black-Panther-Bewegung angehörten. Wie kam es dazu?

Mein zweiter Mann Tom Hayden und ich leiteten ein Lager für Kinder von Mitgliedern verschiedener Gewerkschaften. Es hatte auch Kinder von den Black Panthern dabei. Alle unsere Freunde, die Aktivisten waren, schickten ihre Kinder in dieses Lager. Lulu, die eigentlich Mary Williams heisst, war eines dieser Kinder.

Ich will hier nicht in die Details gehen, aber dieses Mädchen berührte mein Herz. Sie hatte eine schwierige Kindheit und ich fragte schliesslich ihre Mutter, die diverse Probleme hatte, ob Lulu bei uns wohnen dürfte. Sie ist nicht gesetzlich adoptiert, aber seit ihrem dreizehnten Lebensjahr ist sie Teil meiner Familie. So wie ich auch das Kind von Roger Vadim und Annette Stroyberg, Nathalie Vadim, deren Stiefmutter ich war, als Teil meiner Familie betrachte.

Interview Marlène von Arx Bild HFPA

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30.04.2022
von Marlène von Arx
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