hinterleuchtete geschmückte kühe auf  schweizer alpenstrasse in richtung dorf für  jährliche herbst-landwirtschaftsmesse. nationaltier
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Schweiz

Die Kuh als Nationaltier der Schweiz?

29.09.2022
von Jessica Petz

Eine Kuh macht Muh – viele Kühe machen Mühe! Diese gibt es auch in der Schweiz. Das wundert keinen. Ein Tag ohne Kühe ist kaum wegzudenken: Ob bei Wanderungen, im Hof der Nachbarn oder als Plüschtier mit Schweizer Flagge im Supermarkt. Doch wieso ist die Kuh so einzigartig und was macht sie zum Nationaltier des Landes? Zusammen mit «Fokus» räumen wir Mythen aus dem Weg und zeigen, was die Kuh für die Schweiz bedeutet. 

Auf saftigen Weiden grasen sie, im Hintergrund die Berge, deren Spitzen schon leicht von einer Schneedecke bedeckt wurden: Kühe. Das Tier, welches den grössten Einfluss auf die Schweizer Wirtschaft hat und wofür die Schweiz seit Jahrhunderten steht – Traditionsbewusstsein, Qualität und Ehrlichkeit. Und doch gehört die Schweiz zu den wenigen Ländern, die offiziell kein Nationaltier hat. Oftmals wurde versucht, durch Abstimmungen zu einem Ergebnis zu kommen, doch nie wurde ein Tier endgültig als Nationaltier ausgerufen. Die Kuh schafft es jedoch, sich immer wieder nach vorne zu schleichen und repräsentiert die Schweiz schon lange in unterschiedlichen Bereichen.  

Was macht die Kuh so besonders? 

Schweizer:innen verbringen viel Zeit in der Natur, weswegen die Kuh als Symbol für das Heidiland verwendet wird. Eine Wanderung, ohne Kuhherden zu sehen oder zu hören, ist kaum vorstellbar. Da die Alpen zwei Drittel des Landes einnehmen, finden sich die meisten Kühe auf den Bergen wieder. Die Milch der Kühe wird zur Herstellung für die zwei wichtigsten Produkte der Schweiz benötigt: Chääs und Schoggi. Ebenfalls ist das Lieblingsfleisch der Schweizer:innen Rindfleisch. Auf uns Schweizer:innen wirkt eine Wiese ohne Kuh schon beinahe leer, langweilig sogar. 

Inoffizielles Nationaltier – Nur ein Marketinggag? 

Doch auch in Grossstädten ist es nicht ungewohnt, wenn einen in der Innenstadt plötzlich das freundliche Gesicht einer Kuh anlächelt – keine Sorge, hier wird keiner in Zürich von Kühen umgerannt, sondern von Plakaten. Für Marketingzwecke werden Kühe auf Plakate gedruckt, um für typische Schweizer Produkte zu werben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele auf der Idee beruhen, die Kuh sei das Nationaltier der Schweiz. Auch wenn dies nicht offiziell bestätigt ist, hat die Kuh einen hohen Wiedererkennungswert, wenn es um Schweizer Tradition und Qualität geht.

Das Horn gehört zur Kuh!  

Was viele als Symbol für Aggressivität sehen, ist ein Mythos, der endlich aus dem Weg geschafft werden muss: Die Hörner der Kühe.

«Die Hörner ermöglichen die Kommunikation untereinander zwischen mehreren Kühen», so Selina  Blaser, Betreiberin des Lebenshofs KuhErde. Tatsächlich ist es genau andersherum: Kommt es zu einem Kampf um die Rangordnung der Kühe, stossen sie Horn an Horn bis eine ausweicht. Dies hinterlässt manchmal Schrammen oder Narben, die aber verheilen. Prallen hornlose Kühe  aneinander, stossen sie ihren Kopf in den Bauch der anderen Kuh – dies kann bei einem Gewicht von einer Tonne zu viel schwereren Verletzungen oder schlimmstenfalls inneren Blutungen führen. Ebenfalls sorgen Hörner dafür, dass Kühe einen kühlen Kopf bewahren. Dadurch können sie überschüssige Wärme ableiten und so vor allem das Gehirn schützen. Je heisser das Klima, desto grösser die Hörner. In kühlen Regionen wachsen demnach nur kleine Hörner.

Did You Know?

Kühe besitzen so etwas wie einen inneren Kompass. «Sie bewegen sich nämlich immer am Magnetfeld der Erde entlang», so Blaser. Sie laufen immer in die gleiche Richtung und es kommt auch nie jemand von der Herde ab. Beim Fressen und Schlafen richten sie sich wie eine Kompassnadel an der Nord-Süd-Achse des Erdmagnetfeldes aus. Zudem sind sie sehr wetterfühlig: Wie auch wir Menschen, bevorzugen sie es, den Kopf zur Sonne zu drehen und bei Regen und Wind den Rücken zu kehren.

Ringerkuhkämpfe und Lebendpreise – noch zeitgemäss? 

Doch nicht nur als Milchquelle ist die Kuh unter den Schweizern bekannt. Seit knapp 100 Jahren haben die Eringer Ringerkuhkämpfe Tradition im Wallis und finden jährlich statt. Kämpfe, die unterschiedlicher nicht sein können: Zwischen langen Drohgebärden und hitzigen Attacken stehen die Tiere Horn an Horn, bis eines ausweicht. Ein Spektakel, das jährlich viele tausende Menschen ins Wallis lockt. Doch viele Tierschützer:innen stehen den Kuhkämpfen schon seit Jahren kritisch entgegen, da diese nicht zum Wohle der Tiere ausgetragen werden. Eringerkühe sind von Natur aus kampfwillig und messen sich innerhalb der Herde, um ihre Rangordnung festzulegen. Bei den Kämpfen werden diese Instinkte jedoch unnatürlich erzwungen. 

Im Nationalsport der Schweiz, dem Schwingen, ist der Preis für den Gewinner des Sports immer noch ein «Muni». Die Tradition des Lebendpreises steht jedoch seit Jahren in der Kritik, da die Tiere unnötigem Stress ausgesetzt sind, welcher schädlich für Tiere ist. «Die Kuh steht den ganzen Tag lang angebunden in der Nähe des Spektakels und wird am Ende für die Presse zum Schwingerplatz geführt wo sie Lärm und Blitzlichtgewitter ausgesetzt sind. Das ist nicht gut für die Tiere», so Blaser. Die Lebendpreise sind heutzutage mehr symbolischer Natur: Weniger als zehn Prozent der Gewinner behalten das Tier am Ende. Schwinger arbeiten kaum mehr als Landwirte und haben daher keinen Nutzen für das Tier. Statt dem Tier wird dann Geld ausgezahlt und das Tier geht zurück an den Zuchtbetrieb. Daher ist zu überdenken, ob die Lebendpreise und Kuhkämpfe heutzutage noch zeitgemäss sind oder eine weit überholte Tradition. 

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