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Business

Quo Vadis Supply Chain?

04.11.2021
von SMA
Stephan Wagner

Prof. Dr. Stephan M. Wagner, Professor für
Supply Chain Management, ETH Zürich

Durch eine Vielzahl von Medienberichten und intensive Diskussionen in den sozialen Netzwerken kann man derzeit den Eindruck gewinnen, dass immer mehr Menschen das Thema «Supply Chains» umtreibt. Diesen Menschen wird häufig zum ersten Mal deutlich, wie teuer, komplex, prekär und risikobehaftet diese Supply Chains sein können. Sowohl globale Megatrends mit Bedeutung für Unternehmen, Bürger:innen und Gesellschaft – wie der Klimawandel oder die Urbansisierung – als auch aktuell einschneidende Ereignisse – wie der Brexit oder die Pandemie – untermauern dies eindringlicher denn je.

Solange alles wie am Schnürchen läuft, können sich die Verbraucher an günstigen und technologisch führenden Produkten aus China ebenso erfreuen wie an exotischen Früchten aus Kolumbien. Dies wird vor allem dadurch ermöglicht, dass Forschungs-, Entwicklungs-, Produktions- und Wertschöpfungsstandorte weltweit verteilt und über «Supply Chains» miteinander vernetzt sind. Durch Arbeitsteilung, Outsourcing und den Aufbau von Supply Chains können Unternehmen auf Know-how und Standortvorteile in der ganzen Welt zurückgreifen.

Aktuell stehen die weltweiten Supply Chains jedoch vor enormen Herausforderungen. Die Nachfrage nach bestimmten Produkten hat in Folge der Coronapandemie enorm zugenommen. Die Produktions- und Logistikkapazitäten konnten jedoch nicht in gleichem Masse Schritt halten. Die Knappheit an Halbleitern beispielsweise bremst Unternehmen und ganze Industrien in ihrer wirtschaftlichen Erholung. Die Ursachen sind vielfältig und umfassen vor allem Produktionsprobleme und -ausfälle bei Lieferanten in Taiwan und Japan, zu geringe Investitionen in Europa, lange Vorlaufzeiten für Kapazitätsausweitungen und nicht zuletzt geopolitische Interessen der USA und Chinas. Somit liegt es auf der Hand, dass Supply Chains hinsichtlich Abhängigkeiten, Sourcing-Strategien, Lokalisierung und Risikomanagement umgebaut werden müssen. Dies aber dauert und kostet Geld.

Hinzu kommt, dass die Industrie und der Güterverkehr (deutlich hinter dem Personenverkehr) mit rund 18 Prozent bzw. 6,5 Prozent erheblich zu den Treibhausgasemissionen in der Schweiz beitragen. Hier können weitere Massnahmen in Supply Chains umgesetzt werden, um diese zu reduzieren. Auf nationaler Ebene umfasst dies die Reduzierung des Verkehrsaufkommens, den Ausbau der Leistungsfähigkeit umweltfreundlicher Transportmodi, oder den Einsatz der Bahn auf der Ersten und Letzten Meile. Hierzu sind der Einsatz von Plattform-Lösungen sowie innovative Technologien wie die Digitale Automatische Kupplung bei Güterwagen notwendig.

Aber auch für andere Ansätze zur Verringerung von Treibhausgasen und Ressourcenverbrauch sind Supply Chains notwendig. Zwar gibt es in vielen Ländern Verordnungen zur Rückführung von Produkten (z.B. Elektronikschrott) aber die Supply-Chain-Prozesse sind heute primär auf die Verkaufsseite ausgelegt. Die Rückführung wird oft noch als reiner «Kostenblock» wahrgenommen: Sie ist intransparent, wird manuell betrieben und die «Wertstoffe» werden in Entwicklungsländer verschifft. Gerade hier sind industrielle, logistische und automatisierte Prozesse erforderlich, welche die Rückführung und ein echtes Recycling ermöglichen. Apples Recyclingroboter «Daisy» ist fast schon ein Signal, dass die Industrie hier noch am Anfang steht.

Quo Vadis? Supply Chains sind Problem und Lösung zugleich. Was es braucht ist Know-how und Bereitschaft für Veränderung.

Text Prof. Dr. Stephan M. Wagner, Professor für Supply Chain Management, ETH Zürich

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