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Business Transport & Logistik

Wenn der Rohstoffhandel ins Stocken gerät

10.06.2022
von SMA

Eine der Hauptaufgaben der internationalen Logistik besteht im Transport von Rohstoffen. Aktuell wird aufgrund von pandemiebedingten Lieferengpässen sowie dem Ukraine-Konflikt viel über Rohstoffknappheit gesprochen. Wie präsentiert sich die Lage wirklich und welche Auswirkungen hat dies auf die rohstoffhungrige Schweiz?

Die Schweiz gilt als vermögendes Land. Und das zu Recht. Doch der Reichtum der Schweiz gründet primär auf ihrem Finanzsektor, der Industrie sowie dem Technologiesektor. Wenn es hingegen um das Vorkommen von Rohstoffen geht, gilt die Schweiz als vergleichsweise arm.

Hierzulande werden vornehmlich Kies, Kalkstein, Ton, Granit und Salz abgebaut. Metalle wie Kupfer, das in unzähligen technischen Geräten Verwendung findet, sucht man bei uns praktisch vergebens. Eine andere zentrale Ressource, über die wir in der Schweiz glücklicherweise in grossen Mengen verfügen, ist Wasser. So wird etwa die Gegend im Dreieck von Brugg, Windisch, Gebenstorf, Turgi, Stilli und Untersiggenthal am südlichen Rand des Jura als das «Wasserschloss der Schweiz» bezeichnet.

Während es uns also an Grundmaterial für den Hausbau sowie Trinkwasser nicht mangelt, müssen andere Rohstoffe importiert werden. Zu den international am stärksten nachgefragten und damit am häufigsten gehandelten Rohstoffen gehören Rohöl, Stahl, Sojabohnen, Eisen, Kupfer sowie Gold, Aluminium und Silber. Keines davon wird hierzulande gewonnen.

Da bleibt nur der Import, denn der Rohstoffhunger der Schweiz ist hoch: Wie die Zeitung «Der Bund» in einem Analyseartikel zum Stand der schweizerischen «Agenda 2030» vor Kurzem festhielt, leben Schweizerinnen und Schweizer auf grossem Fuss. Das zeigt sich angesichts des sogenannten «Material-Fussabdrucks», der den inländischen Rohstoffverbrauch abbildet.

Der Rohstoffverbrauch wächst zwar kontinuierlich an, allerdings weniger stark als die Bevölkerung – pro Person hat der Material-Fussabdruck in den letzten Jahren also abgenommen.

Er berücksichtigt neben den in der Schweiz gewonnenen Rohstoffen auch die Menge aller Rohstoffe, die im Ausland für die Herstellung und den Transport der in der Schweiz verbrauchten oder genutzten Güter sowie Dienstleistungen verwendet werden. 2019 belief sich der Material-Fussabdruck auf gut 147 Millionen Tonnen. Der Rohstoffverbrauch wächst zwar kontinuierlich an, allerdings weniger stark als die Bevölkerung – pro Person hat der Material-Fussabdruck in den letzten Jahren also abgenommen.

Dennoch verbrauchen Schweizerinnen und Schweizer immer noch zu viele Ressourcen: Auf der Liste der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch liegt die Schweiz auf Platz 24 von 160 und befindet sich damit vor den USA, China sowie sämtlichen europäischen Nachbarstaaten. Dass wir dementsprechend hierzulande auch zu viel Müll produzieren (214 Prozent mehr als 1970) überrascht nicht.

Importe für fast 300 Milliarden Franken

Doch welche Rohstoffe importiert die Schweiz genau – und woher kommen sie? 2021 wurden laut Bundesamt für Statistik Güter im Wert von 296,5 Milliarden Franken eingeführt. Der Grossteil davon, sprich 61 Prozent, fanden über Europa ihren Weg hierher. Am häufigsten importiert wurden Edelmetalle sowie Edel- und Schmucksteine, und zwar im Wert von 93,434 Milliarden Franken.

Darauf folgten chemisch-pharmazeutische Produkte mit einem Gesamtwert von 54,995 Milliarden sowie Maschinen, Apparate und Elektronik-Güter für 54,9 Milliarden. Diese drei Kategorien stellen übrigens auch die Top-Drei der schweizerischen Exporte dar, wobei die chemisch-pharmazeutischen Produkte vor den Edelmetallen die Pole-Position belegen.

Die Zahlen belegen, wie stark die Schweiz als ressourcenarmes Land auf einen gesunden In- und Export angewiesen ist. Eine funktionierende internationale Supply Chain stellt dafür die Grundvoraussetzung dar. Doch genau die ist aktuell weniger stabil als noch vor einigen Jahren.

Ein Grund dafür liegt nach wie vor in der Corona-Pandemie. Das zunehmend globalisierte Wirtschaftssystem zeigt sich noch immer anfällig für einen Virus, der einen Grossteil der Welt zu Lockdowns sowie temporären Downsizing-Massnahmen ihres wirtschaftlichen Outputs zwingen kann. Ein weiteres aktuelles Problem stellt der Krieg in der Ukraine dar.

Nebst der humanitären Katastrophe löst der Konflikt weitere materielle Engpässe aus. Wie der Wirtschaftsverband Economiesuisse schreibt, legt der Krieg offen, wie abhängig Europa von russischem Gas ist und wie wichtig die Ukraine sowie Russland für die weltweite Weizen- und Sonnenblumenölproduktion sind.

Zudem werde gerne vergessen, dass beide Länder auch bei diversen anderen Rohstoffen wichtige Lieferanten für den Weltmarkt darstellen. Der Krieg verschärfe damit bereits vorhandenen Lieferengpässe: Die Produktion von Computer-Chips, Autos, elektronischen Geräten oder Baumaterialien werde erschwert und verteuert.

Keine gute Vorzeichen

Bis anhin war erwartet worden, dass sich die Lage bei den Halbleitern (eine essenzielle Komponente für die Chip-Herstellung) ab diesem Sommer wieder etwas entspannen würde. Doch nun sind mit der Ukraine und Russland zwei Länder im Kriegszustand, die für Chips wichtige Inputfaktoren produzieren, hält Economiesuisse fest.

Seit Kriegsbeginn stockt die Produktion und die Reserven werden wohl nur noch für wenige Monate ausreichen.

Drei Rohstoffe sind für Halbleiter von zentraler Bedeutung: Russland gehört zu den wichtigsten Nickel- und Palladium-Exporteuren. Die Ukraine ist der weltweit grösste Neon-Produzent. Seit Kriegsbeginn stockt die Produktion und die Reserven werden wohl nur noch für wenige Monate ausreichen.

Es sei daher nicht unwahrscheinlich, dass die globale Chip-Produktion ins Stottern gerät. Längere Wartefristen und steigende Preise dürften die Folge davon sein. Für den Technologiestandort Schweiz ist dies eine schlechte Nachricht.

Die Economiesuisse-Expert:innen ziehen in ihrer Analyse ein entsprechend ernüchterndes Fazit: Lieferschwierigkeiten und Rohstoffpreissteigerungen dämpfen die Konjunktur und verhindern, dass die Weltwirtschaft nach der Pandemie wieder stark Fahrt aufnimmt. Die sowieso schon hohe Inflation steigt weiter an. Es droht Stagflation – also die Kombination von schwachem Wirtschaftswachstum und hoher Inflation.

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