naomi lareine
Kultur Lifestyle Interview

«Ich bin meine eigene Königin» – Naomi Lareine im Gespräch

25.06.2020
von Fatima Di Pane

Die Zürcherin Naomi Lareine macht R’n’B und liebt das turbulente Leben. Im Gespräch erzählt sie von ihrer Methode gegen Nervosität und der Wichtigkeit der «Ehe für alle». 

Naomi Lareine, dein Künstlername «Lareine» bedeutet «die Königin». Wovon bist du die Königin? 

Ich bin von nichts und niemandem die Königin. Grundsätzlich bin ich meine eigene Königin, so wie es jede Frau schliesslich sein sollte. Im Namen Lareine geht es eigentlich mehr darum, was eine Königin tut: Sie führt und beschützt ihre Leute. Das möchte ich auch tun.

Die Coronakrise trifft den Kulturbetrieb besonders hart. Wie erlebst du als Musikerin diese Zeit?

Vieles ist abgesagt, manches zum Glück nur verschoben. Ich persönlich habe mich sehr auf das Openair Frauenfeld gefreut, denn dafür wurde ich zum ersten Mal gebucht. Jetzt fällt das natürlich ins Wasser. Die Situation war zuerst sehr frustrierend, aber schlussendlich habe ich viel Zeit im Studio verbracht. Diese Pause hat mir gutgetan.

Wie verbringst du nun den Sommer?

Ich gehe zum ersten Mal seit Langem in die Ferien. Nach den Swiss Music Awards habe ich gemerkt, dass ich eine Auszeit brauche. Mir ging es nicht gut, ich war aufgewühlt von all dem Tumult. Da kam mir diese Zeit ehrlicherweise zugute.

Nach den Swiss Music Awards habe ich gemerkt, dass ich eine Auszeit brauche. Naomi Lareine

Fällt es dir schwer, Pause zu machen?

Ja, sehr. Man hat einfach ein schlechtes Gewissen, wenn man nicht da ist oder nichts macht. Aber es ist normal, dass man sich so fühlt. Und auch künstlerisch ist es völlig okay, sich mal eine Pause zu gönnen.

Machst du gezielt Sachen, um deine kreativen Batterien aufzufüllen?

Nein. Ich bin jemand, der versucht, immer im Moment zu leben. Ich lebe Tag für Tag und plane nur selten. Du kannst dich nicht mit mir für nächste Woche verabreden, weil das geht mit mir nicht. Alles muss spontan passieren.

In deiner EP «Unchained» verarbeitest du eine Trennung. Was hat dir neben der Musik am meisten dabei geholfen, das Beziehungsende zu verarbeiten?

Auf jeden Fall meine Freunde. Mir ging es sehr schlecht, ich war heartbroken und habe viel geweint. Man hat Höhen und Tiefen und gaukelt sich Sachen vor, redet sich ein, dass alles gar nicht so schlimm war. Dann braucht man jemanden, der sagt: «Hey Naomi, das hat dir nicht gutgetan». Jemand, der dir die Augen öffnet. Freunde bringen dich wieder auf den Boden. Ich hatte viel Unterstützung aus meinem Umfeld. Das tat gut.

Du hast als Kind in Musicals mitgesungen. Könntest du dir vorstellen, sowas nochmals zu machen?

Ja, ich hätte keine Probleme damit. Denn ich liebe Musicals (lacht). Meine erste Rolle damals war sogar eine Hauptrolle. Die ganzen Schulferien über musste ich den Text lernen, ich habe es richtig durchgezogen. Und dann nach der dritten Vorstellung hatte ich keine Lust mehr. Ich wollte nur noch singen und nicht mehr schauspielern (lacht).

Mir ging es sehr schlecht, ich war heartbroken und habe viel geweint. Naomi Lareine

Hast du daraus viel mitnehmen können für dein Leben als Musikerin?

Ja, klar. Ich konnte bereits viele Erfahrungen sammeln sowie das Lampenfieber erleben. So konnte ich lernen, damit umzugehen. Die Nervosität darf dich nicht übermannen, sonst wird deine Stimme zittrig und du kannst nicht richtig singen.

Was machst du gegen Nervosität?

Das Einsingen hilft mir sehr. Etwa 40 Minuten vor Showbeginn fange ich an, einzusingen. Ich werde langsam ruhiger und konzentriere mich auf die Songs. Dann, ganz kurz vor dem Auftritt, fange ich an rumzublödeln. Meistens gibt es auch noch einen Shot für mich. Und dann ist gut
(lacht).

Du erzähltest bereits in einem Interview, dass es Worte gibt, die du «grusig» findest. Aber welches sind deine Lieblingsworte, im Alltag oder in der Musik?

Ja, schon. Was sage ich denn oft? (denkt nach) «Checksch?» finde ich mega toll (lacht). Das sage ich sehr oft.

In der Musik sind es mehr die Themen. Im Moment habe ich keine Lust mehr auf heartbroken Songs. Es soll nicht mehr darum gehen, dass ich verletzt bin und all das. Weisst du, was ich meine? Irgendwann ist einfach mal schluss (lacht).

Ist es einfacher, traurige Songs zu schreiben als fröhliche Sachen?

Es kommt auf den persönlichen Mood an. Denn Traurigkeit ist einfach eine starke Emotion, die tief sitzt. Etwas, was tief sitzt bringt man meist besser raus. Es kommt auf das Empfinden an.

Was dich gerade beschäftigt, solltest du rauslassen. Dann flowt es am besten.

Das Einsingen hilft mir sehr. Naomi Lareine

Welcher Song auf deiner Playlist würde uns überraschen?

Durch eine Freundin komme ich nun mehr mit Rock in Berührung. Gerade habe ich viel für Highly Suspect übrig. Die finde ich sehr cool.

Du möchtest kein 08/15-Leben. Was ist für dich ein 08/15-Leben?

Jeden Tag aufstehen, ins Büro gehen, wieder nach Hause, kochen und dann vor den Fernseher. Und das jeden Tag, over and over. Am Wochenende vielleicht noch Ausgehen, am nächsten Tag kaputt sein. Und am Montag wieder von vorne. Ich sage nicht, dass an diesem Lebensstil etwas falsch ist. Das ist jedem selber überlassen. Aber das ist nichts für mich.

Ich hatte noch nie ein sogenanntes «normales Leben». Früher habe ich Fussball gespielt, viel trainiert und bin mit der Mannschaft herumgereist. Es ist einfach mein Rhythmus, ich kann deshalb nicht zu lange an einem Ort bleiben. Es muss immer etwas passieren.

Warum?

Ich kann’s dir nicht genau sagen. Denn ich bin so aufgewachsen. Wir sind immer viel umgezogen, weil mein Vater Hockeyprofi war. Mein Leben war schon immer turbulent, im positiven wie im negativen Sinne.

Ich war schon immer in Bewegung. Das passt für mich. Ich suche mein Zuhause nicht an einem Ort, sondern in den Leuten um mich herum.

Alicia Keys ist praktisch meine Mutter. Naomi Lareine

Zu wem schaust du auf?

Zu meiner grossen Schwester Célia. Sie ist gerade Mami geworden und macht das alles mega gut. Sie ist sehr stark und hat mir zudem in der Kindheit viel geholfen.

Was hat dir deine Familie charakterlich mitgegeben?

Von meiner Mutter habe ich vieles geerbt. Sie ist sehr emotional, aber gleichzeitig auch ein Sonnenschein. Von ihr habe ich das Temperament, das hitzige. Das mag ich, denn das ist ehrlich. Du wirst mit mir immer ein ehrliches Gespräch führen. Wenn mir etwas nicht passt, dann sage ich es auch. Von meinem Vater habe ich den Ehrgeiz bekommen, die Zielorientiertheit. Diesen Drive etwas zu erreichen, das habe ich von ihm.

Hat dich deine Ehrlichkeit auch schon in Schwierigkeiten gebracht?

Ja, mehrmals (lacht). Nicht direkt in Schwierigkeiten, aber in unangenehme Situationen. Je ehrlicher man ist, desto unangenehmer wird es oftmals. Das ist leider so.

Aber bevor ich lüge, sage ich lieber gar nichts. Ich sage gar nichts, oder meine Meinung.

Du bist offen lesbisch. Wie erlebst du persönlich die Akzeptanz von LGBTQ-Menschen in der Schweiz? Hast du diesbezüglich schon schwierige Situationen erlebt?

Ich persönlich hatte immer Glück, aber bei anderen habe ich schon oft Unschönes miterlebt. Wenn mich Leute anschauen, denken sie oftmals nicht, dass ich lesbisch bin. Ich werde nicht öffentlich darauf angesprochen. Ich denke, lesbische Frauen haben es allgemein leichter als schwule Männer.

Das Negative, dass ich erlebe, sind diese Standardsachen. Dumme Sprüche von Männern à la «du brauchst nur mal einen richtigen Mann», oder dass gewisse Dinge nicht ernst genommen werden. Auch meine Ex-Freundin konnte damals nicht offen sagen, dass sie mit mir zusammen war. Das war sehr schwierig. Aber glücklicherweise wurde ich noch nie beschimpft.

Warum denkst du, ist es für Frauen einfacher?

Viele sagen, es sähe schöner aus. Die Männer finden es oftmals sexy, ausserdem wird es auch in der Pornowelt zelebriert. Viele Männer nehmen es auch gar nicht ernst, wenn ich sage, dass ich lesbisch bin.

Aber bei schwulen Männern wird es extrem ernst genommen. Da sagt niemand: «Wir schauen dann in ein paar Jahren nochmal». Viele haben auch so ein falsches Bild von Männlichkeit. Ein Mann darf nicht weinen, er muss ein richtiger Mann sein, hart sein. Ich denke, auch darum haben es schwule Männer schwieriger. Sie erleben als Konsequenz auch öfters körperliche Gewalt. Es ist schwierig und traurig.

Die «Ehe für Alle» ist in der Schweiz in greifbare Nähe gerückt. Was empfindest du dabei?

Es ist wie das Licht am Ende des Tunnels. So können und dürfen wir uns auch eine Zukunft vorstellen und haben die gleichen Rechte. Das ist so wichtig.

Wenn ich jetzt beispielsweise mit einer Frau ein Kind hätte, welches sie austragen würde, hätte ich keinerlei Rechte an diesem Kind. Das ist ein Problem.

Auch dass wir das Ritual des Heiratens erleben dürfen, ist für mich persönlich wichtig. Ich möchte einmal heiraten und Kinder haben. Darum finde ich es schön, dass es langsam vorwärts geht.

Wenn ich jetzt beispielsweise mit einer Frau ein Kind hätte, welches sie austragen würde, hätte ich keinerlei Rechte an diesem Kind. Das ist ein Problem. Naomi Lareine

Was wünscht du dir für die Zukunft?

Dass die Gewalt gegen Gays aufhört und wir die komplett gleichen Rechte haben. Ich wünsche mir, dass es keinen Unterschied mehr gibt zwischen Hetero und Gay, dass Homosexualität als natürlich angesehen wird. Denn es ist natürlich, niemand entscheidet sich aktiv dafür. Ich möchte, dass dies endlich in die Köpfe rein geht.

Auch das Thema Rassismus. Wir müssen merken, dass wir alle eins sind. Wir bluten alle rot. Schliesslich sind wir alle Menschen und verdienen die gleichen Rechte. Vor allem sind wir eigentlich intelligent genug, um zwischen Richtig und Falsch unterscheiden zu können.

Was wünscht du dir noch?

Ich wünsche mir auch, dass man füreinander einsteht, wenn beispielsweise ein Mensch beschimpft wird – auch wenn man diesen nicht kennt. Die Augen öffnen. Zuhören. Aufpassen. Einander helfen.

Naomi Lareine in Kürze


Freundschaft bedeutet für mich…

Loyalität

Streaming oder Vinyl?

Streaming

Alicia Keys oder Aaliyah?

So frech (lacht)! Ja… Also schon Aaliyah. Aber Alicia Keys ist praktisch meine Mutter (lacht).

Zürich oder Bern?

Zürich

Wodka oder Wein?

Wein

Unzuverlässig oder spontan?

Spontan. Ich bin eine zuverlässige Person. Ich stehe zu meinem Wort und erwarte das auch von anderen. Das ist mir sehr wichtig.

Instagram oder TikTok?

Instagram

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