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Christoph Mäder: «Eine nachhaltige Entwicklung war und ist immer wichtig!»

26.11.2020
von Lars Meier

Diesen Herbst ist Christoph Mäder zu neuen Ufern aufgebrochen: Seit Oktober steht er economiesuisse als Präsident vor. Im Interview verrät er, was seine Gedanken zu diesem Schritt sind, wo die Schweiz seiner Einschätzung nach in puncto Nachhaltigkeit steht und wieso man den Wert nachhaltiger Entwicklung in der heutigen Zeit nicht unterschätzen darf. 

Herr Christoph Mäder, seit 1. Oktober sind Sie Präsident von economiesuisse – herzlichen Glückwunsch! Welche Gefühle, Erwartungen und Wünsche haben Sie bezüglich dieses Neuanfangs?

Ich freue mich, mich auch in dieser neuen Funktion für das Erfolgsmodell Schweiz und gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft einzusetzen. Diese Ziele waren seit der Studienzeit immer ein wichtiges Anliegen und haben mich auch in meinen vielen anderen Funktionen stets begleitet.

Ich erwarte, dass die Diskussion über Zukunftsperspektiven aus Sicht der Wirtschaft anspruchsvoller und kontroverser wird. Es wird darum gehen, tragfähige Koalitionen für zukunftsgerichtete Lösungen zu finden – sowohl innerhalb der Wirtschaft, aber auch extern mit allen politischen Akteuren.

Haben Sie bereits konkrete Vorstellungen, wie Sie economiesuisse als Präsident prägen möchten? Wo gilt es, anzupacken?

Economiesuisse wird im Wesentlichen durch die Mitglieder und Gremien geprägt – nicht primär durch den Präsidenten. Ich werde versuchen, die Interessen der Wirtschaft möglichst gut zu bündeln und effizient in den politischen Entscheidungsprozess einzubringen. Weiter will ich mich mit Leidenschaft und einer positiven Grundhaltung für den Standort Schweiz einsetzen.

Economiesuisse wird im Wesentlichen durch die Mitglieder und Gremien geprägt – nicht primär durch den Präsidenten. Christoph Mäder

Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?

Ich verbringe meine Freizeit am liebsten in den Schweizer Alpen mit zahlreichen Outdooraktivitäten. Zudem bin ich eine gesellige Natur und geniesse das Zusammensein mit Familie und Freunden.

Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Schlagworte 2020. Wo steht die Schweiz Ihrer Einschätzung nach diesbezüglich? Was muss sich noch ändern?

Ich halte die Schweiz für sehr fortschrittlich, was die ökologische und soziale Nachhaltigkeit angeht. Wir haben grundsätzlich ein Flair für pragmatische und wirkungsorientierte Lösungen, sei es in der Klimapolitik, beim Thema Kreislaufwirtschaft oder im Bereich Sustainable Finance. Was in der Politik und Öffentlichkeit etwas vergessen geht, ist, dass die Nachhaltigkeit nicht nur zwei, sondern drei Säulen hat: Auch die ökonomische Nachhaltigkeit ist wichtig und sollte wieder stärker ins Bewusstsein rücken. Marktwirtschaftliche Ansätze sind wichtig und Investitionen müssen sich lohnen, dann bewegt sich auch etwas.

So hat beispielsweise die Schweizer Industrie dank marktwirtschaftlicher Instrumente im CO2-Gesetz als einziger Sektor seit Kyoto mehr Emissionen eingespart, als die Ziele vorgaben. Wir müssen vermehrt auf die Wirksamkeit unserer Regulierung achten anstatt ideologisch verbrämt zu handeln, wie dies beispielsweise die Unternehmensverantwortungsinitiative tun will. Ebenso braucht es ein international abgestimmtes Vorgehen; wir dürfen uns nicht isolieren. Die Schweiz kann die Welt nicht alleine retten, sondern muss Auslandsinvestitionen tätigen und Technologien exportieren können, wie wir es seit Jahren tun. Wenn wir in Schönheit sterben, ist niemandem geholfen.

Warum ist nachhaltige Entwicklung besonders in der heutigen Zeit so wichtig?

Eine nachhaltige Entwicklung war und ist immer wichtig! Man darf nicht vernachlässigen, was die freie Marktwirtschaft diesbezüglich bis heute ermöglicht hat: Wir sind wohlhabender, gesünder, leben länger und arbeiten deutlich weniger als noch vor 50 Jahren. Das ist in sozialer und ökonomischer Hinsicht ein riesiger Erfolg. Auch ökologisch hat sich einiges getan. Das BIP-Wachstum der Schweiz ist heute relativ vom Ressourcenverbrauch entkoppelt: Zusätzlicher Wohlstand verbraucht immer weniger Ressourcen. Woran wir noch arbeiten müssen, ist die absolute Entkopplung. Das ist die grosse Herausforderung für die Zukunft. Das Bewusstsein hierfür ist bei Unternehmen und Konsumentinnen geschärft und es gilt weiterhin, alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen zu verbessern.

Die Coronapandemie führt uns dies vor Augen: Während einem Lockdown gehen beispielsweise die Emissionen aus der Mobilität zurück, somit ist das in einem gewissen Sinn ökologisch. Die Massnahmen sind jedoch wirtschaftlich nicht nachhaltig, Menschen verlieren ihre Arbeit und ihr Einkommen, weil Firmen Konkurs gehen. Daraus entstehen soziale Probleme. Wenn ein Land nicht wohlhabend ist, kann es nicht in Verbesserungen in anderen Bereichen investieren. Dies zeigt sich auch in Schwellen- und Entwicklungsländern, wo Gesundheit oder Ernährungssicherheit die Leute zurzeit noch mehr interessiert als die Ökologie.

Inwieweit tragen Sie persönlich zum Erhalt der Umwelt bei?

Bei meinen Aktivitäten versuche ich meinen ökologischen Fussabdruck in einem vernünftigen Rahmen zu halten. Im privaten Rahmen beispielsweise mit einem eingeschränkten Konsum- und Mobilitätsverhalten. Ebenso verbringe ich meine Ferien hauptsächlich in der Schweiz und unternehme selten Fernreisen. Ausserdem setze ich mich auch im beruflichen Umfeld seit jeher stark für nachhaltiges Wirtschaften ein.

Ebenso verbringe ich meine Ferien hauptsächlich in der Schweiz und unternehme selten Fernreisen. Christoph Mäder

Welche einfachen Tipps haben Sie, damit man im Alltag nachhaltiger lebt?

Als Verbandspräsident kümmere ich mich um wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Es liegt mir eigentlich fern, den Leuten zu sagen, wie sie leben sollen. Wenn ich allerdings etwas raten müsste, würde ich vor allem zu informierten Entscheidungen animieren. In unserer freien Gesellschaft setzen wir auf die Mündigkeit der Bevölkerung, diese muss nach bestem Wissen und Gewissen Alltagsentscheidungen treffen, die für den individuellen Kontext passen. Wenn die dreidimensionale Nachhaltigkeit hier etwas mehr ins Gewicht fällt, wäre das sicher nicht schlecht. Noch viel wichtiger finde ich aber ein Thema, das viel zu selten diskutiert wird: Der nachhaltige Umgang mit sich selbst und den eigenen Ressourcen. Gerade in der derzeitigen Lage sollten wir uns selbst mehr Sorge tragen.

Die «Fridays for Future»-Bewegung um Greta Thunberg sorgt seit geraumer Zeit für positive Furore, muss sich aber auch Kritik beugen. Wie bewerten Sie den Einfluss der Bewegung auf den Umgang mit dem Klimawandel?

Es ist grundsätzlich die Rolle solcher Bewegungen, Staub aufzuwirbeln und sich mit einer gewissen Dringlichkeit für einzelne Themen stark zu machen. Das gehört in einer Demokratie dazu. Die Klimabewegung hat es sicher auch geschafft, Impulse in der Politik zu setzen, man denke nur an den Mobilisierungseffekt bei den letzten Wahlen. Bewegungen sind aber letztlich auch nur begrenzt zu konsensorientierter Politik fähig. Sie vereinigen sehr heterogene Interessengruppen unter einem kleinsten gemeinsamen Nenner.

Sobald es ans Eingemachte geht und über konkrete Lösungen diskutiert wird, wird der brüchige Konsens auf die Probe gestellt. Das zeigt sich momentan beispielsweise darin, dass die Klimabewegung in der Schweiz gespalten ist, was das Referendum zum CO2-Gesetz angeht. Die Schweizer Klimapolitik kommt vorwärts, wenn wir partnerschaftlich und sachlich um Lösungen ringen. Alarmismus und Parolen sind da leider fehl am Platz und wirken am Ende kontraproduktiv. Der Klimawandel ist eine riesige Herausforderung, aber wir können sie bewältigen, wenn wir am richtigen Ort handeln und auch mit Kompromissen leben. Die Schweiz hat beispielsweise beschränkte Möglichkeiten im Inland und sollte sich deshalb auch privatwirtschaftlich für Emissionseinsparungen im Ausland engagieren können.

Bei meinen Aktivitäten versuche ich meinen ökologischen Fussabdruck in einem vernünftigen Rahmen zu halten. Christoph Mäder

Für economiesuisse sind Sie kein Unbekannter: Von 2008 bis 2019 waren Sie Mitglied des Vorstandsausschusses und von 2011 bis 2017 Vizepräsident des Verbands. Welches sind in Ihren Augen die wichtigsten Entwicklungen, die economiesuisse in dieser Zeit geprägt haben?

2008 stand natürlich im Zeichen der Finanzkrise und ihrer Auswirkungen. Diese zog eine Repositionierung der Wirtschaft nach sich. Gleichzeitig gingen die Prozesse der Globalisierung und der Arbeitsteilung in der Wirtschaft unaufhaltsam weiter. Das Thema der Nachhaltigkeit trat über die Jahre viel stärker ins Bewusstsein – sowohl bei den Menschen wie auch bei den Unternehmen und den Aktionären. Für ein exportorientiertes Land wie die Schweiz war zudem der aufkommende Handelsstreit zwischen den USA und China von grosser Bedeutung. Wir müssen unsere Position in diesem geopolitischen Machtgefüge ständig überprüfen. Und obwohl die konkreten Auswirkungen der aktuellen Coronakrise noch nicht absehbar sind, sehen wir daraus bereits heute gravierende Auswirkungen für die Wirtschaft.

Sie sind zudem ausgebildeter Rechtsanwalt. Inwieweit denken Sie, wird Sie dieser Hintergrund in Ihrer neuen Funktion beeinflussen?

Ich war einmal Assistent für Staats- und Verwaltungsrecht. Seither verfolge ich das Geschehen in der Politik und dem Staat sehr detailliert und mit grossem Interesse. Dieses Wissen kommt mir jetzt zugute, wenn es darum geht, die Wirkungsweise des Staates im Zusammenhang mit der wirtschaftspolitischen Interessenwahrung zu verstehen und entsprechend zu handeln.

Das Thema der Nachhaltigkeit trat über die Jahre viel stärker ins Bewusstsein – sowohl bei den Menschen wie auch bei den Unternehmen und den Aktionären. Christoph Mäder

Des Weiteren sind Sie Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung «Schweizer Jugend forscht». Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, nachfolgende Generationen zu fördern?

Forschung und Innovation sind der Schlüssel zum Erfolgsmodell Schweiz. Deren Förderung muss das zentrale Anliegen jeglicher Bildungspolitik sein. «Schweizer Jugend forscht» ist ein traditionelles Instrument, um die Neugier und Innovationskraft der Jugend zu fördern. Und dies nicht bloss im klassisch akademischen Bereich, sondern immer stärker auch bei den Berufslehren. Dazu gibt es ein wunderbares Beispiel: Ein Schreinerlehrling war unzufrieden mit den Funktionen der bestehenden Hobelbänke. Da hat er kurzerhand selbst eine bahnbrechende multifunktionale Werkbank entworfen und umgesetzt. Eine solche Förderung von «Schweizer Jugend forscht» auf allen Stufen ist schlichtweg genial.

Interview Lars Gabriel Meier     Bild zVg

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